Die Lasten der Bauern gegenüber der Gemeinde

Veröffentlicht in Kulturgeschichte

Die Lasten der Bauern gegenüber der Gemeinde. Der Bauer war aber nicht nur seinem Herrn, auch seiner Gemeinde Abgaben und Frohndienste schuldig. So mussten jährlich die Herbst- und Lenzgewände durch Zäune aus Pfählen und Flechtwerk umgeben werden, um sie gegen das auf der Brache oder den Gemeindeländereien weidende Vieh zu schützen; der Bauer musste im Frohndienste für die Wege und Strassen, für deren Unterhalt freilich herzlich wenig geschah (denn jeder handelte nach dem Grundsatz wenn ich auf dem Wege schlecht durchgekommen oder gar stecken geblieben bin, dann soll es den anderen nicht besser gehen), für die Hirtenhäuser und die Schulen, wenn man eine solche hatte, die nötigen Gespann- und Frohndienste leisten.Drückend waren namentlich diese letzten Frohnden nicht.


Aber wahrhaft drückend waren zuweilen die aussergewöhnlichen Steuern, die allen auferlegt wurden, wenn in Kriegszeiten Kriegssteuern von den Feinden erhoben wurden, sei es, dass diese, wie die holländischen Freibeuter des XVII. und XVIII. Jahrhunderts an Ort und Stelle erschienen, mit der Drohung, das Dorf an den vier Ecken in Brand zu stecken, oft Hunderte von Talern forderten und, wenn die Leute diese wie gewöhnlich nicht gleich zahlen konnten, plünderten, einige Häuser verbrannten und dann nie sich entfernten, ohne einige der wohlhabenderen Einwohner als Geiseln mitzuschleppen, die dann erst gegen Zahlung eines Lösegeldes und einer weitern, willkürlich hoch gegriffenen Summe für deren Unterhalt in Freiheit gesetzt wurden; sei es, dass die Feinde, namentlich die Brandenburger unter dem grossen Kurfürsten und dessen Nachfolger, während der Kriege gegen Ludwig XIV., 1688-1698 und 1701-1714, eine eigene Verwaltung lange Zeit zu Aachen errichteten, um alle Dörfer und Städte auch des nicht besetzten feind­lichen Gebietes zur Zahlung von Kriegssteuern aufzufordern, wenn sie sich nicht der Gefahr aussetzen wollten, eines guten Tages unversehens überfallen, ausgeplündert und eingeäschert zu werden. Dann mussten die Gemeinden zu Anleihen ihre Zuflucht nehmen, zu dem für sie gewöhnlichen Zinsfuss von 6,25Prozent; nicht selten wurden die Zinsen der so gemachten Schulden vierzig, fünfzig, ja sogar hundert Jahre bezahlt, ehe man daran dachte oder auch zuweilen im Stande war, das Kapital zurückzuzahlen. Aber wenn es sich um solche Zinszahlungen handelte, so waren nicht selten die Wohlhabenderen geneigt, die Lasten auf alle, Reiche und Arme, gleichmässig zu verteilen, wodurch sie natürlich verhältnismässig wenig, die Armen viel zu tragen hatten.Was daneben die Gemeinde besonders drückte, waren die Prozesskosten.


Unsere Bauern waren nicht allein oft genug gezwungen, ihre wirklichen Rechte zu verteidigen, sie waren förmlich prozesswütig und brachen jede Gelegenheit vom Zaune, um immer andere Prozesse anzustrengen; wurden sie durch die Untergerichte verurteilt, so appellierten sie an den Provinzialrat; die Partei, die hier unterlag, unterliess es selten "nach Mechlen zu gehen", d. h. an den hohen Rat nach Mecheln zu appellieren. Es war umsonst, dass die Regierung den Gemeinden verbot, ohne ihre vorherige Einwilligung einen Prozess anzustrengen; die Bauern fanden bald ein Mittel, sich an dem Verbot vorbeizudrücken; einige von ihnen fingen den Prozess in ihrem persönlichen Namen an, nachdem die andern versprochen hatten, mit ihnen alle Kosten zu tragen und zuweilen, sie für alle Gänge schadlos zu halten.

 

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