Die Lasten zu Gunsten der Kirche

Veröffentlicht in Kulturgeschichte

Die Lasten zu Gunsten der Kirche. Bei der Besprechung dieser Lasten werde ich ganz von dem absehen, was der Adlige und Bürger so gut wie der Bauer der Kirche für den Empfang der Sakramente schuldeten, bei der Taufe, der Heirat, der letzten Ölung, dem Begräbnis, für die Totenämter. Es waren eben Lasten, die auf dem einzelnen, nicht aber auf der Gemeinde ruhten und zudem nur in ganz ungleichmässigen Zwischenzeiten getragen wurden. Ich werde nur das berücksichtigen, was auf der ganzen Gemeinde und allen deren Bewohnern lastete.Da war zunächst der Zehnte, den ich schon oben erwähnt und der, wenn er auch nur selten von dem Pfarrer allein bezogen wurde, jedenfalls die stärksten Anforderungen an die Steuerkraft stellte. Dazu kamen einerseits die für den Bau und den Unterhalt der Kirchen, der Kapellen, der Kirchhofmauern, des Pastors- oder Kaplanshauses nötigen Aufwendungen, auch für die Schule, die ja vollständig unter der Aufsicht der Kirche stand, die die Schule als ihr Eigentum betrachtete, aber im grossen Ganzen nichts, rein gar nichts tat, um die Bildung der Jugend zu heben.


Von den Pfarrkirchen hatte der Pfarrer das Chor, die Zehntherren das Schiff und die Pfarrei (nicht etwa nur das Dorf, in welchem die Pfarrkirche stand) den Turm zu bauen und zu unterhalten, wobei indessen alle Pfarrangehörigen für die ganze Kirche die nötigen Gespann- und Hand­frohnden zu leisten hatten. Es ist selbstverständlich, dass, wenn nicht etwa die Kirche allzuschlecht gebaut war oder diese durch den Krieg oder andere Ereignisse zerstört wurde, die Baupflicht nur in langen Zeiträumen, von hundert und mehr Jahren, einmal erfordert wurde, wogegen natürlich für den Unterhalt und die Reparaturen häufiger, aber trotzdem im Ganzen nur selten, die Frohnden beansprucht wurden. Dasselbe galt für die Pfarrhäuser mit den dazu gehörenden Ställen und Scheunen, nur war hier die Verpflichtung der Pfarrkinder dadurch gemildert, dass der Pfarrer selbst, wenn ihm beim Amtsantritt die Gebäude in gutem Zustande überliefert worden waren, sie während seiner ganzen Amtstätigkeit in demselben Stand unterhalten u. bei seinem Tode hinterlassen musste; war dieses letztere nicht der Fall, so lag es den Pfarrkindern ob, die Erben des Verstorbenen zur Instandsetzung anzuhalten; taten sie es freilich nicht, so waren sie selbst dazu verpflichtet. Wurden das Pfarrhaus, die Ställe u. die Scheune durch Feuer oder durch den Feind zerstört oder wurden sie so baufällig, dass sie nicht mehr gebraucht werden konnten, so mussten die Pfarrkinder sie wieder aufbauen; wurden sie dagegen durch die Schuld oder Nachlässigkeit des Pfarrers oder seiner Hausangehörigen ecingle äschert, so musste der Pfarrer für den Schaden aufkommen.


Heute müssen unsre Gemeinden die Kirchen und die Pfarrhäuser, sogar die in den kleineren Dörfern zum öffentlichen Gottesdienst bestimmten Kapellen und die Kaplanshäuser bauen und unterhalten. Man möchte demnach versucht sein anzunehmen, in früheren Zeiten wäre die Last der Pfarrkinder nicht so gross gewesen wie heute, aber man darf nicht vergessen, dass dem Bauern im Interesse allein der Kirche der Zehnte abgefordert wurde, woran der Umstand nichts ändert, dass grosse Teile des Zehnten weltlichen Herren gehörten.Diese Bau- und Frohndenpflichten gaben von Seiten der Bauern Anlass zu vielen Beschwerden und Prozessen; bald beklagten sie sich, dass man sie zu einem Neubau zwingen wolle, trotzdem dieser nicht nötig sei, bald über die übermässige Zahl und die Art der Frohnden, die man ihres Erachtens mit Unrecht fordere; bald wiederum klagten sie, hier über den Pfarrer, dort über die Zehntherren, dass sie ihrer Baupflicht nicht nachkämen. Das alles gab Anlass zu Prozessen, die in der Regel, je mehr die Jahrhunderte der Neuzeit nahe kamen, desto langwieriger und demzufolge kostspieliger wurden.Ein Beispiel bietet die Baugeschichte der Consdorfer Pfarrkirche: diese war dem Kloster Euren bei Trier inkorporiert, das heisst, dieses Kloster bezog den ganzen Zehnten allein, bestellte nicht einen Pfarrer, sondern einen lebenslänglichen Vikar, dem es nicht etwa den ihm zustehenden Teil des Zehnten, sondern nur eine lächerlich kleine Vergütung, einen wahren Hungerlohn anwies. Als nun im Jahre 1757 die Abtei Euren die Pfarrkirche wieder neu aufbauen wollte und von den Pfarrkindern von Consdorf, Berdorf und Breitweiler nicht nur die nötigen Gespann- und Handfrohnden, sondern auch alles zum Bau nötige Gehölz aus den Gemeindewaldungen forderte, weigerten sich dessen namentlich die Consdorfer, die darauf hinwiesen, dass die Abtei jährlich aus dem Zehnten über 250 Malter Getreide beziehe und verpflichtet sei, ganz allein die Kirche zu bauen. Der Prozess, der deswegen entstand, dauerte von 1758 bis 1771; er endete mit der Verurteilung der Pfarrkinder und kostete sie mehrere Tausend Reichstaler.


Anders erging es in einem Prozess, der im Jahre 1700 durch den Provinzialrat von Luxemburg entschieden wurde, in welchem der Pfarrer von Villance als Kläger gegen seine Pfarrkinder u. a. deswegen auftrat, weil sie sich weigerten, ihm ein grösseres Pfarr­haus, grössere Ställe und Scheunen zu stellen; er wurde indessen abgewiesen, weil es sich herausstellte, dass er sich nicht mit den acht Stück Rindvieh und den 25 Schafen begnügte, welche er kostenfrei auf die gemeine Weide treiben konnte, dass er den Zehnten nicht, wie es der Brauch in der Gegend und bei den anderen Zehntherren war, schon ausgedroschen empfing, sondern sich ihn in Garben liefern liess, u. dass er ausser seinem Wittum auch noch andere Grundstücke bebauen liess, die er gemietet hat, in einem Worte, dass er, wie manche andere Pfarrer, Ackerwirtschaft im Grossen betrieb; er wird sogar durch ein anderes Urteil von demselbenTag verwiesen, von dem Gewinne, den er als Bauer macht, mit den anderen Einwohnern seinen Teil der Staatssteuern zu zahlen. Wie in dem ersten der erwähnten Prozesse die Consdorfer, so ist in diesem zweiten der Pfarrer von Villance entschieden im Unrecht. Nun kommt es, namentlich im achtzehnten Jahrhundert häufig vor, dass die Dörfer, die weit von der Pfarrkirche entfernt sind, zu grösserer Bequemlichkeit eine eigene Kapelle bauen, an der ein Kaplan den Gottesdienst ausübt u. auch den Einwohnern die Sakramente spendet. Es kann das letztere natürlich nur mit Erlaubnis des Bischofs geschehen. In diesem Falle mussten die Einwohner des betreffenden Dorfes für den Bau und den Unterhalt der Kapelle und des Kaplanshauses aufkommen und persönlich jeder für seinen Teil dem Kaplan dasjenige liefern, was ihm zumUnterhalt angewiesen war, ohne irgend eine Beisteuer von Seiten des Pfarrers noch der Zehntherren. Die Bauern mussten auf dieselbe Weise die Schule bauen und unterhalten und den Schulmeister bezahlen; weder Pfarrer noch Zehntherr bekümmerten sich darum; nur beanspruchte der Pfarrer das Recht, den Schulmeister zu nennen oder doch wenigstens zu bestätigen.

Wer möchte, wenn er diese lange Litanei von Lasten und Pflichten durchsieht, noch behaupten wollen, die jetzige Lage unserer Bauern sei schlechter als die ihrer Vorfahren der verflossenen Jahrhunderte? Das kann nur der tun, der behauptet, die Lage unserer Bauern während des Weltkrieges, in welchem sie ungezählte Millionen eingesäckelt haben, sei eine höchst bedauerliche gewesen.

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