Die Freilassung der Leibeigenen

Veröffentlicht in Kulturgeschichte

Die Freilassung der Leibeigenen. Es ist allgemein bekannt, dass schon die heidnischen Römer häufig einzelnen ihrer Sklaven die Freiheit schenkten, von denen sogar manche als liberti und libertini selbst an den Höfen der Kaiser eine bedeutende Rolle spielten und dass, als in den Pro­vinzen des Römerreiches das Christentum sich ausbreitete, nicht wenige der neuen Christen bei Gelegenheit ihrer Taufe alle ihre Sklaven auf ein­mal freiliessen. In der fränkischen Zeit sind indessen die Freilassungen selten, meistens finden sie zu Gunsten einer Kirche oder Abtei statt, und zwar derart, dass der Befreite zwar seine volle Freiheit erlangt, aber doch so, dass er und seine Nachkommen dieser Kirche jährlich ein gewisses Quantum Wachs liefern müssen. So befreit im Jahre 790 Mandungus eine seiner Sklavinnen mit deren Kindern und zwar so, dass diese mit ihren Kindern ebenso frei sein sollen, wie wenn sie von freien Eltern geboren wären, aber so dass diejenigen, die er durch die Urkunde befreit, ihm, so lange sie leben werden, die gewohnten Dienste leisten, in der Kirche der Abtei Echternach jährlich am Feste des hl. Willibrord für einen Denar Wachs liefern und dass sie von nun an unter dem Schutz der Abtei stehen sollen; ausdrücklich wird betont, dass die Neubefreiten gehen und wandeln, d. h. sich niederlassen können, wo es ihnen beliebt. Die solcher Weise Befreiten werden Wachszinsige genannt. Von absoluter Freiheit kann daher selbst in diesem Falle und ähnlichen kaum die Rede sein, denn, wie Lamprecht, I 1220, richtig bemerkt, "in fränkischer Zeit hat die Kirche, welche trotz ihrer steten auf Befreiung der unteren Klassen gerichteten Predigten, der absoluten Freilassung keineswegs hold war, es durchzusetzen gewusst, dass die Freilassung womöglich zu ihren Gunsten, unter Bindung der Freigelassenen an Schutz u. Gerichtsvertretung der Kirche, erfolgte." Solche Freilassungen sind indessen sehr selten, wenigstens werden sie nur selten durch Urkunden bewiesen; aus karolingischer Zeit fehlen sie gänzlich. Trotzdem kann nicht daran gezweifelt werden, dass unsre Grafen von Siegfried an bis zur Regierung der Gräfin Ermesinde bewährten und treuen Dienern die Freiheit schenkten.

 


Anders wurde es erst mit dem Ende des zwölften Jahrhunderts; unter dem Einfluss der "loi de Beaumont" des Böhmer Rechtes, wie man bei uns sagte, wurden zuerst einzelne, dann in Nordfrankreich, in den Grafschaften und Herzogtümern Luxemburg, Chiny, Lothringen und Bar hunderte von bis dahin unfreien Dörfern freie Gemeinden, denen der Herr, wie es unter andern in den Freiheit surkunden von Echternach und Luxemburg (1236 und 1244) ausdrücklich heisst, die Freiheit schenkte, derart dass diese, vermöge genau bestimmter Dienste und Abgaben, über ihre Güter frei verfügen, ihre Kinder ungehindert vom Herrn verheiraten und sich niederlassen konnten, wo sie wollten. Das Beispiel, das Ermesinde für die eben erwähnten Städte gegeben hatte, wurde nicht nur von ihren Nachfolgern, sondern auch von sehr vielen Herren nachgeahmt, die, wenn auch keineswegs allen ihren Untertanen, doch wenigstens den Bewohnern des um ihre Burg liegenden Dorfes die Freiheit gaben, so dass diese freie Bürger wurden, vielfach sogar Burgmannen, dadurch, dass sie von dem Herrn irgend ein Gut als Lehen empfingen oder übernahmen gegen die Verpflichtung, die Burg während einer bestimmten Zeit zu bewachen und dem Herrn auch sonst Kriegsdienste zu leisten. Aber auch unabhängig von den Bewohnern dieser neuen Städte, neuves villes, wurden viele einzelne Personen befreit; als solche sehe ich alle auswärtigen Bürger, bourgeois forains, der einzelnen Städte an. Luxemburg besass solcher auswärtigen Bürger u. a zu Kehlen, Kopstal, Hollerich und Berchem; Bastnach, im Jahre 1469, hatte ihrer nicht weni­ger als 144 in 61 verschiedenen Ortschaften. Alle sind allem Anschein nach einzeln befreit worden, indem der Fürst ihnen die Freiheit schenkte und die Rechte, deren die Bürgerschaft der Städte genoss, denen sie angegliedert wurden. Es wird dies klar bewiesen durch zwei Urkunden Johanns des Blinden. Durch die erste, vom 13. Juni 1320, befreit er alle Güter, welche Hennekin Fakeler von Müllendorf, sein Meyer von Steinsel, zu Kopstal und anderwärts besitzt, von allen Diensten, die sie bis dahin schuldeten und macht aus ihnen Bürgergüter von Luxemburg er behält sich nur die Dienste vor, welche ihm die Bürger dieser Stadt schulden. Durch die zweite, vorn 25. Juni desselben Jahres, befreit er in ähnlicher Weise die Güter des Johann Barnaige von Bartringen (oder vielleicht von Birtringen).


Es scheint mir ausser allem Zweifel, dass wohl alle Edelleute des Landes eintretenden Falles in ähnlicher Weise einzelne ihrer Untertanen befreiten; so befreit am 30. März 1336 Johann von Ligny, Herr von Roussy, alle Güter, welche Heinrich von Mensdorf im Banne von Mensdorf besitzt und macht daraus Lehnsgüter. Am 14. Februar 1417 befreien Johann, Herr von Homburg und der Fels, und seine Frau, den Heinrich Keiszipel und dessen Frau und geben ihnen als Lehen ein Haus in der Freiheit Fels. Andere Befreiungen gewähren u. a. Godart von Branden­burg, Herr von Klerf (1430), Michel von Wiltz, genannt Rottart (1436); Bernhard von Bourscheid und Heinrich Hoecklin (1505), Gerhard, Herr von Wiltz (1507), Alexander Waldecker, Herr von Aspelt (1546), Gerhard von der Horst, Herr von Hamm (1590). Es handelt sich dabei wohl meistens um eine Belohnung für geleistete Dienste; dass aber auch andere Motive eine Rolle gespielt haben können, beweist in unwiderlegbarer Weise eine Urkunde vom 25. Januar 1421, durch welche Wilhelm von Bübingen, Herr zu Mamer, seiner (unehehlichen) Tochter Maria, die mit Welter, dem Sohn Cleschens des Wagners von Mamer, verheiratet wird, als Mitgift eine jährliche Rente von vier Malter Roggen, einem Schwein oder drei rheinischen Gulden, und ausserdem ein Stück Land von der "Limperchporte" zu Luxemburg anweist und zugleich den genannten Welter, der sein Leibeigener ist, von der Leibeigenschaft befreit.


Dass ein jeder Herr das Recht besass, seinen leibeigenen Untertanen die Freiheit zu geben, ist von selbst einleuchtend, waren doch diese sein Eigentum. Das Recht wird übrigens in einem aus dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts stammenden Weistum von Wampach ausdrücklich her­vorgehoben; es heisst nämlich, dass, wenn ein Untertan des Hofherrn, des Grafen von Nassau-Vianden es so weit gebracht hat, dass dieser ihm die Freiheit geben wollte, so mag der Herr es tun ohne Widerspruch des Vogtherrn; sollte der Graf das ganze Dorf befreien wollen, so mag er es ebenfalls tun ohne Widerspruch des Vogtherrn, nur, wenn ihm infolge dieser Befreiung Geld oder Güter zufallen, soll er dem Vogt den vierten Pfennig davon geben. Abgesehen von den Bürgern der Städte, ist die Zahl der im Laufe der Zeiten befreiten Unfreien oder Leibeigenen sehr klein, und selbst von diesen mögen manche, die auf dem Lande wohnhaft blieben, später, entweder selbst oder ihre Nachkommen, wieder in den früheren Stand der Unfreiheit oder Leibeigenschaft zurückgesunken und durch Not und Zwang dahin gelangt sein. Nur auf den Domanialgütern des Fürsten ist, wie es scheint, die Freiheit allgemein, Gemeingut aller Untertanen; sie werden dienst- oder zinsfreie Leute genannt, d. h. gegen die Renten und Dienste, die sie zahlen und leisten, geniessen sie die Freiheit, denn der Ausdruck kann nicht so aufgefasst werden, als wären sie von Zinsen oder Diensten frei.

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