Die Verwaltung der Bauerngemeinden

Veröffentlicht in Kulturgeschichte

Die Verwaltung war, im Gegensatz zu heute, eine doppelte, einerseits durch den Meyer oder Schultheis (dieser scheint mir vorwiegend in jenen Gemeinden aufzutreten, die von uralten Zeiten her Kirchenbesitz gewesen waren) und die Schöffen, anderseits durch den Zentner und in den meisten Gemeinden die Ältesten oder geschworenen Ältesten. Die ersten vertreten das Interesse des Herrn, die zweiten das der Gemeinde. Der Meyer wird immer durch den Herrn direkt bestellt und durch ihn beeidet; in solchen Dörfern, in deren Besitz sich zwei oder mehrere Herren teilen, gibt es gewöhnlich soviel Meyer wie Herren. Die Schöffen (meistens sieben an der Zahl) werden ebenfalls durch die Herren bestellt und beeidet, doch haben die Schöffen fast überall das Vorschlagsrecht, dem Herrn zwei Kandidaten vorzuschlagen, zwischen denen der Herr zu wählen hat und, wie es scheint, wählen muss. Meyer und Schöffen sind zwar nicht im Prinzip, aber doch in der Tat lebenslänglich angestellt, da der Herr sie in der Regel nur dann entsetzen kann, wenn ein Urteilsspruch sie unwürdig erklärt, das Amt weiter zu bekleiden. Sie haben das Interesse des Herrn zu vertreten, was schon aus dem Inhalt der Weistümer hervorgeht, in denen in erster Linie die Rechte des Herrn gewiesen werden. Der Meyer hat vor allem die Pflicht, die Einkünfte des Herrn einzuziehen und sie diesem zu übermitteln; die Schöffen mit dem Meyer bilden die Ge­richtsbehörde für weniger wichtige Sachen in zweiter Instanz, da die erste Instanz, das sog. Erstgehör, eine Art Friedensgericht, dem Herrn selbst oder dessen Amtmann zusteht; sonst aber üben sie entweder, je nachdem der Herr die Grundgerechtigkeit, die mittlere und die höhere Gerichtsbarkeit besitzt, eine oder zwei von diesen oder auch alle drei aus; von ihren Entscheidungen und Urteilen kann immer Berufung eingelegt werden, nur nicht in den wichtigsten aller Prozesse, den Kriminalverhandlungen "über Hals und Bauch"; von den Urteilen, die sie als Hochgericht erlassen, kann nicht einmal an den Provinzialrat Berufung eingelegt werden. Als Verwaltungsbehörde haben sie alles zu überwachen, was nur irgendwie die Rechte des Herrn, aber auch des Landesfürsten betrifft.


Der Meyer kann auch zugleich Schöffe sein. Meyer und Schöffen geniessen besondere Vorrechte; sie haben das Recht, meistens mit ihren Frauen, den Mahlzeiten beizuwohnen, bei Gelegenheit der Jahrgedinge, welche der Herr, der Bannmüller jährlich und auch die einzelnen Schöffen nach ihrem Amtsantritt zu geben haben; sie geniessen örtlich einer oder minder bedeutenden Ermässigung der Zins- und Schaffrenten, sie brauchen nirgends Frohnden zu leisten, müssen indessen die Fröhner überwachen; klingender Vorteil erwächst ihnen einerseits aus den Bussen, welche sie verhängen und von welchen ihnen ein Teil zukommt, aus den Rechten, welche ihnen bei gerichtlich vollzogenem Verkauf und der Verpfändung von Grundgütern gebühren, besonders aus den Gerichtsgebühren, die sie für jeden gerichtlichen Akt erheben, und dem Bankgeld, dem was die Parteien ihnen für jede Gerichtssitzung schuldig sind.Die letzten Einnahmen werden zudem, namentlich im siebzehnten Jahrhundert, dadurch sehr bedeutend, dass sie fast ausnahmsweis das Doppelte, Drei oder Vierfache der ihnen zustehenden Gebühren anrechnen und sich für jede in einer Gerichtssitzung vorkommende Sache, und wären es auch zwanzig oder dreissig, das Bankgeld zahlen lassen. In Kriminalprozessen ist es in demselben Jahrhundert stehende Regel geworden, dass sie nicht nur nach jeder Sitzung, sondern auch während der Angeklagte gefoltert wird, auf Kosten dieses Unglücklichen, sei es in einem Nebenraum, sei es im W'irtshause, zecken und prassen, was das Zeug hält.

Diese Vorteile hatten zur Folge, dass diejenigen, die Meyer und Schöffen waren, mit Vorliebe als Kandidaten ihre nächsten Verwandten und Bekannten vorschlugen, so dass nicht eben sehen ein Vater mit einem oder zwei Söhnen, zwei Brüder, ein Onkel mit seinem Neffen, Schöffen sind und alle zusammen im Grunde nur eine einzige Familie bilden.


 Eine ganz andere war die Stellung des Zentners. Dieser ist freilich nicht mehr, wie in der ersten Hälfte des Mittelalters, Vorsteher eines ausgedehnten Gebietes, der Hundertschaft, nicht mehr Vorsteher des Honnel oder Hundelgerichtes; nur einzelne Orte haben für ihre Zentner noch Reste dieser Gerichtsbarkeit, auch in Kriminalsachen, bewahrt. Der Zentner vertritt das Interesse der Gemeinde, nicht, wie Meyer und Schöffen, dasjenige des Herrn. Er wird an den meisten Orten durch die Versammlung der Einsmänner gewählt, bald mit nachfolgender Bestätigung durch den Herrn, bald ohne eine solche, in einzelnen Orten ist der Brauch eingeführt, dass immer der jüngste Einsmann Zentner wird. Neben ihm erscheinen fast überall die Ältesten, die gewissermassen als seine Beisitzer aufzufassen sind; nur an einzelnen Orten gibt es keine Ältesten, wie z. B. zu Schengen; verschiedene Schöffenweistümer dieses Ortes erklären ausdrücklich, die Einstellung von Ältesten sei bei ihnen nicht gebräuchlich Hardt, in seiner Ausgabe der Luxemburger Weistümer (S. XLV) hat die Pflichten und Rechte des Zentners in recht guter Weise, wenn auch nicht vollständig, in folgender Weise zusammengefasst: "Mit Feld- und Waldhütern, oder den eigenen Boten zur Seite, hatte er besonders ein scharfes Auge auf die Verwaltung der Gemeindegüter, auf Wege und Wasserläufe, auf Holznutzung und Weidgang; führte die in diesen Stücken ergangenen Verordnungen aus und handhabte die darauf bezügli­che Polizei; er leitete die Entrichtung der auf der Gemeinde lastenden Frohnden und sonstigen Herren-dienste, half Steuern, Zehnten, Zinsen und Bussen beitreiben und sorgte dafür, dass alles dies ohne Benachteiligung der Gemeiner geschah.


Beim Jahrgeding erschien er an der Spitze der Einwohnerschaft und führte in ihrem Namen das Wort. Er überwachte oder (was richtiger ist) führte auch das gemeine Rechnungswesen. In Arlon hatte er sogar ein eigenes Gericht, mit den sieben Stadtschöffen als Beisitzer, vor welchem alles, "was einigsrecht ist, als uf- und zusliessunge der weg, schaden in den fruchten, überhauw, verstoppungen der locht und dergleichen ander dienstbarkeit" verhandelt wurde", und zwar "extraordinaire", d. h. mit von drei zu drei Tagen folgenden Verhandlungen, um die Sachen desto rascher zu erledigen. Wie zu Arlon, einer freien Stadt, erscheint der Zentner übrigens auch in anderen freien Städten, in denen er örtlich nicht Zentner, sondern Bürgermeister genannt wird; die Stadt Luxemburg hatte keinen Zentner für die Oberstadt, wohl aber einen solchen für die Unterstadt Grund. Wie sehr er auch in diesen freien Orten für die Rechte der Bürger, auch der einzelnen, zu sorgen hat, beweist das Weistum von Remich aus dem Jahre 1462, Art. 6: Wird jemand durch den Hofsmeyer weiter bedrängt als Recht oder verfährt dieser einem Untertanen gegenüber gegen das Gewohnheitsrecht, so soll der Benachteiligte sich mit seiner Klage an den Hauptzentner des Hofs Remich wenden; dieser soll dann alle Bürger zusammenberufen, ihnen die Klage vorlegen und wenn sie sie berechtigt finden, ehe er den Meyer beim Fürsten verklagt, ihn auffordern, dem Bürger Recht widerfahren zu lassen; tut es der Meyer nicht, so soll der Hauptzentner mit den Bürgern sich mit ihrer Klage an den Fürsten wenden und nicht nachlassen, bis sie ihrem Mitbür­ger zum Recht und zu Schöffenurteil verholfen haben.Eine Erklärung der Einwohner von Wellenstein, vorn Jahre 1724, lehrt uns die Obliegenheiten der Ältesten und damit auch des Zentners mehr in ihren Einzelheiten kennen; sie greifen aber dabei auf die Rechte des Gerichtes über und, ebenso wie dieses sonst Meyer und Schöffen tun, weisen sie die für Vergehen geschuldete Bussen und die ihnen bei allen ihren Amtstätigkeiten zukommenden Summen. Sie haben alle Grenzsteine u. die Bannmarken zu setzen, kleinere Streitigkeiten zu entscheiden oder ein Erkenntnis darüber zu geben, die Schornsteine zu besichtigen, den Förster, den Zentner, die Bannhüter und die Nachtshüter, "nachtsprieter" zu beeidigen, jährlich drei Mal, im halben Mai, am 15. Juli und im halben September die Fluren zu begehen, um festzustellen, ob überall die Zäune, die die einzelnen Fluren trennen, in gutem Zustande sind, die Wiesen zu bannen, den Unterhalt der Wege zu überwachen, es der Gemeinde anzuzeigen, wen jemand ohne Erlaubnis auf Gemeindeland baut, die Scheltworte zu strafen, die die Ältesten und die Gemeiner sich sagen. Es wird ausserdem vorgesehen, dass bei den Gemeindeversammlungen Zentner, Bannhüter und Ältesten erscheinen müssen; und wenn mehr als die Hälfte aller Gemeiner versammelt sind, so sollen die Bannhüter die abwesenden um fünf oder zehn Stüber pfänden; dass die Verhandlungen geheim bleiben sollen, der Zentner jährlich zwischen Martini und Dreikönigstag seine Rechnung ablegen und die Bannhüter einer um den andern täglich in den Busch gehen und die festgestellten Verfehlungen der Gemeinde vorbringen.


Die Rechte und Pflichten des Zentners sind daher im grossen Ganzen, wenn auch für die Gemeinde von der grössten Wichtigkeit, doch auf wenig wichtige Sachen beschränkt. Von der Amtstätigkeit des alten Zentners aus den ersten Jahrhunderten des Mittelalters ist nur an einzelnen Orten ein mehr oder minder hervorragender Rest geblieben.Zu Bruch in der Eifel ist, nach einem Weistum des Jahres 1506, der Zentner noch das Haupt der Hundertschaft und weist mit den Schöffen die Rechte des Herrn im "honnelgeding". Zu Echternach (Weistum von c. 1497) wird der Missetäter, der in der Stadt, auf den Bürgergütern oder auf der Sauer ergriffen wird, auf dem Markt durch die acht Zentner der zur Schultheisserei gehörigen Dörfer abgeurteilt und dann durch dieselben und den neunten Zentner, welcher der städtische Richter ist, zur Hinrich­tung geführt. Ein Weistum von Igel, Lieschberg, Langsur, Mesenich, Föd­lich und Grevenich aus dem Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts zeigt ebenso die Zentner im Besitze der Hochgerichtsbarkeit: Wenn nämlich ein Missetäter in einem der Dörfer gefangen wird, so soll ihn der Zentner die­ses Orts einen Tag über Nacht behalten und dann dem Zentner des näch­sten Ortes überliefern; dieser liefert ihn dann dem dritten, der dritte dem vierten, der vierte dem fünften, von denen jeder ihn über Nacht halten soll; hat ihn dann der fünfte Zentner über Nacht gehalten, so sollen er und die Gemeinde des Ortes ihn an das Hochgericht liefern; dann sollen die fünf einen unter sich zum Richter wählen und die anderen vier das Urteil schöpfen.


Die Gemeindeangelegenheiten werden unter dem Vorsitz des Zent­ners und der Ältesten in der Versammlung der ganzen Gemeinde beraten, die Entschlüsse nach der Mehrheit der Anwesenden gefasst. Jeder ist gezwungen, diesen Versammlungen beizuwohnen; der Ausbleibende, der nicht rechtmässig entschuldigt ist, verfällt zu Gunsten der Gemeinde in eine Busse, die nach Schluss der Versammlung gemeinsam vertrunken wird. Doch scheinen diese Versammlungen in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts für machen eine unbequeme Last geworden zu sein, weil sie durch sie von ihren Arbeiten abgehalten werden, so dass man in vielen, vielleicht in allen Dörfern die Leitung der minder wichtigen Ange­legenheiten einem Ausschuss von einigen Einsmännern anvertraute und die Gemeinde nur mehr für besonders wichtige Sachen berufen wurde. Die Versammlungen fanden in den Pfarrorten lange Zeit in den Kirchen statt, unter der Linde, beim Kreuz oder in der Wohnung eines der Eins­genossen. In ihnen wurde alles verhandelt, was die Gemeinde betraf, nur wurden die Beschlüsse, wie es scheint, erst seit dem achtzehnten Jahrhun­dert meistens durch einen Notar niedergeschrieben. Die Finanzverwaltung der Gemeinden, wenn man überhaupt von einer solchen reden kann, war himmelschlecht; man lebte gradezu von der Hand in den Mund und liess Gott für morgen sorgen. Und doch waren die finanziellen Ansprüche, die an die Gemeinden gestellt wurden, oft sehr bedeutend; hervorgerufen wurden sie im siebzehnten Jahrhundert besonders durch die Kriegskontributionen, die von den Feinden auferlegt wur­den, die Stellung von Wagen für die Heere und die sog. Placquillen, Liefe­rungen von Stroh, Hafer, Heu und Lebensmitteln, die vielfach nicht in Natur geliefert wurden, sondern mit Geld abgelöst, immer aber durch die Prozesse, die trotz ihrer Kostspieligkeit auch beim geringsten Vorwande unternommen wurden. Dabei waren die Gemeinden durchaus selbstän­dig, sie hatten für alles, was sie vornahmen, weder die Erlaubnis des Herrn noch die der Regierung zu erfragen, bis, seit dem Beginn des XVII. Jahr­hunderts, diese sie immer mehr mit straffen Zügeln packte und sie voll­ständig als minderjährige Wesen der Oberaufsicht des Provinzialrates unterwarf So wurde ihnen verboten, ohne Erlaubnis ihre Gemeindegüter zu verpfänden, zu verkaufen oder auf immer zu verteilen, in ihren Gemeindewäldern nach Willkür zu hauen, Anleihen zu machen oder Pro­zesse zu beginnen. Das half ein wenig, aber nicht immer und nicht überall, denn die Bauern verstanden es ausgezeichnet, wo es nur möglich war, sich an den fürstlichen Ordonnanzen vorbeizudrücken. Ein Beispiel aus der Geschichte von Bollendorf mag es beweisen:


Eine Ordonnanz von 1754 hatte allen Gemeinden, aber auch den Innungen verboten, ohne Erlaubnis des Provinzialrates, Anleihen zu machen; nun erklären am 8. März 1762 vier und fünfzig Einwohner von Bollendorf, dass vier ihrer Mitgemeiner für ihre dringenden Bedürfnisse zweihundert Reichstaler entleihen müs­sen und stellen sich solidarisch als Bürgen dar, weil die vier ohne diese Bürgschaft kein Geld bekommen können. Am 30. März 1762 verkaufen die vier Bollendorfer, unter solidarischer Bürgschaft der erwähnten 54 Miteinsmänner und des Notars Schwab dem Schülerseminar von Luxem­burg, um 560 Gulden (= 200 Reichstaler) eine jährliche Rente von 35 Gul­den (--= 21/2 Reichstaler), demnach zum Zinsfusse von 61/4 vom Hundert. Bis dahin ist die Sache ganz unverfänglich; aber am 22. Juni desselben Jahres erklärt der Zentner von Bollendorf, die eben genannte Summe von 200 Reichstalern von denselben vier Bollendorfern empfangen und zum Nutzen der Gemeinde verwendet zu haben.Brauchen nun die Gemeinden Geld, so greifen sie zu allen Mitteln, erlaubten wie unerlaubten. Bald verpfänden sie, ungeachtet des Verbotes, Teile ihrer Gemeindegüter, mit Vorliebe Wiesen und Weiden; es bleibt ja immer möglich, dass diese Verpfändungen nicht zur Kenntnis des Gene­ralprokurators gelangen und ungeahndet bleiben; bald nehmen sie, zum Schaden der eigenen Viehzucht, mit Vorliebe fremde Schafe auf ihre Weide, bald verkaufen sie das Kordenholz ihrer Wälder den Schmittenher­ren oder eine Anzahl der schönsten Eichen den holländischen Holzhänd­lern; bald auch leihen sie Geld, und dieses fast ausnahmslos zum Zinsfuss von 61/4 vom Hundert. Haben sie Geld entliehen, so kann der Kapitalist froh sein, wenn er nicht bei jedem Verfalltag die säumige Gemeinde mah­nen oder gar gerichtlich gegen sie vorgehen muss; für den Kapitalisten hat die Sache freilich den Vorteil, dass er durch ein solches Darlehen sein Geld auf lange Jahre zu hohem Zinsfusse ausstehen hat und dass er, wenn er vielleicht einmal selbst Geld brauchen sollte, seine Schuldverschreibung leicht einem andern um dieselbe Summe verkaufen kann.


Ein Beispiel aus der Geschichte des grossen Prozesses, den Consdorf in den Jahren 1758 bis 1771 mit der Abtei von Euren wegen der Frohn­den für die Pfarrkirche von Consdorf führte: Am 14. November 1759 ver­kaufen Peter Jonen, Zentner, und Mathias Rausch, im Namen der Gemeinde, dem Johann Deel von Cochem, holländischem Holzhändler, hundert Eichen nach freier Wahl der Käufers, nebst acht andern "für den fehlen hau", die umsonst zugegeben werden, zu 20 Schilling, (c. 11,40 Fran­ken) das Stück: sie übernehmen die Zahlung des zehnten Pfennigs und werden dem Käufer ungehinderte Abfahrt auf ihrem Bann gewähren. Acht Jahre später aber konstatieren wir, dass 27 Einwohner von Cons­dorf, demselben Dorfe, das jenen kostspieligen Prozess führt, auf dem Punkte sind, gerichtlich zur Zahlung ihres Anteil der "aides et subsides" gezwungen zu werden, und dass sie nun einen Ausschuss von acht Män­nern wählen, dem jeder ein bestimmtes Quantum Getreide, im ganzen 541/2 Malter Roggen und anderthalb Malter Weizen, liefern wird, um mit dem Erlös die Steuern und die schon gemachten Kosten zu bezahlen. Am 11. Februar 1768 erklären Nikolas Casel und Nikolas Ney, als Depu­tierte der Gemeinde, dass sie infolge der ihnen im verflossenen Jahr durch den Generalstatthalter der Niederlande erteilten Erlaubnis, das Holz in den drei Kantonen Hellecken, Goldau und Juckenfeld zu verkaufen, zwei Mal den Verkauf öffentlich bekannt machen liessen, dass aber sich nur ein Liebhaber einfand, Nikolas Loutz von Luxemburg, der ihnen 101/2 Stüber für die Korde bot; dass sie zwar anfangs das Holz nicht zu diesem Preise ablassen wollten, aber trotzdem es jetzt, da sich kein anderer Liebhaber einstellt, dem Loutz für den angegebenen Preis verkauft haben; Loutz bezahlt ihnen gleich 375 Reichstaler (c. 1725 Franken) für 2000 Korden, den Rest für das Holz, das über diese 2000 Korden hinausgeht, wird er nach vollendetem Hau bezahlen. Am 10. Oktober desselben Jahres, es heisst ausdrücklich, um sich das für den Prozess nötige Geld zu verschaf­fen, verlassen sie dem Anton Keller von der Schäferei des Herrn von Met­zenhausen beim Grünewald, für hundert ihnen zum Voraus gezahlte Reichstaler, also für c. 460 Franken, ihre Weideländereien für vier Jahre und eine Herde von zweihundert Schafen.

 


Das beste Geschäft macht dabei der Mieter, da ihn auf die Weise die Weide für das ganze Jahr und die ganze Herde nur 115 Franken zu stehen kommt, für das einzelne Schaf 0,571/2 Centimes. Am 12. November, wieder desselben Jahres, nehmen sie bei sich, "in fetter und weid" (d. h für Winter und Sommer) 221 Schafe des Peter Leonardy, Pächters auf Gemenerhof, auf; diejenigen, welche sie in ihren Ställen ernähren, erhalten vom Stück einen Schilling (c. 57 Centi­mes) und die Hälfte der Wolle; der Schäfer, der daneben zu seinem Vorteil zwölf Schafe halten kann, erhält von Leonardy zwei Malter Roggen und von der Gemeinde fünf stellt Leonardy fest, dass seine Schafe bei einem oder dem andern nicht ordentlich gefüttert werden, so kann er sie weg­nehmen und bei einem andern unterbringen; er kann ausserdem noch sechzehn Schafe gratis auf die Weide schicken und, wenn er einen Teil der Schafe verkauft, sie durch andere ersetzen. Am 25. Juni 1771 beschliesst die Gemeinde, wieder hundert Reichstaler zu leihen. Am 16. Februar 1773 schuldet sie, trotz allem was sie schon bezahlt hat, für die zur Pfarr­kirche notwendigen Frohndienste, die sie einem Unternehmer für 950 Reichstaler verlassen hat, und für die Kosten der beiden Instanzen zu Luxemburg und zu Mecheln, noch immer 600 Reichstaler; sie beauftragen daher einige ihrer Einsleute, bei der Regierung um die Erlaubnis zu einer Anleihe von 600 Reichstalern einzukommen und um die Erlaubnis, unter sich eine Übereinkunft zu treffen, nach welcher jeder jährlich ein bestimm­tes Quantum Getreide liefern soll, um die Zinsen zu bezahlen und das Kapital abzulegen. Möglicherweise haben sie daraufhin diese 600 Reichs­taler geliehen, denn am ersten April desselben Jahres geben sie wieder dreien aus ihrer Mitte Vollmacht, weil sie jetzt 900 Reichstaler zu vier vom Hundert bekommen können, die sie zur Zahlung ihrer alten Schulden und zum Rückkauf ihrer verpfändeten Gemeindewiesen anwenden wollen, um bei der Regierung die nötige Erlaubnis zu erwirken; sie versprechen als Sicherheit die "hämmelweid" anzuweisen, die jährlich vierzig Reichstaler einbringt, alle ihre Wiesen mit einem Ertrag von zehn Reichstalern und endlich auch vierzehn Malter Roggen jährlich.


Am 2. Oktober 1773 erklären sie, dass sie von den Kosten des Prozesses und der Frohnden, zu deren Zahlung sie verurteilt worden sind, der Abtei Euren erst 200 Reichstaler bezahlt haben; weil sie aber auf dem Punkte stehen, für die noch geschuldeten Summen ausgepfändet zu werden, beauftragen sie vier Leute aus ihrer Mitte, mit dem Kellner des Klosters einen gütlichen Ver­gleich zu treffen. Dieser selbst ist mir unbekannt, aber am 20. Januar 1774 erklären sie, dem Kloster noch 531 Reichstaler zu schulden; der Kellner nimmt als Bezahlung für einen Teil der Schuld hundert Eichen Schiffsbau­holz zum Preise von 161/2 Schilling das Stück (c. 9,50 Franken), nach Abzug des zehnten Pfennigs, im Ganzen für 185 Reichstaler; wenn aber der Kellner die Eichen teurer verkaufen kann, so wird der Überschuss der Gemeinde gutgeschrieben werden. Den Rest, 345 Reichstaler, wird diese in sechs Jahresraten, jede von 571/2 Reichstalern, bezahlen. Am 12. April 1774 beschliessen die Zentner und die Deputierten von Consdorf, Breid­weiler, Berdorf und Colbet, dass jeder von ihnen, der seinen Teil der wegen des Kirchenbaues geschuldeten Gelder noch nicht bezahlt hat, die­sen bezahlen soll und jeder Beiwohner während vier Jahren jährlich einen neuen französischen Taler (5,94 Franken). Und trotz alledem gibt die Gemeinde am 24. Februar 1776 wieder Vollmacht zu einer Anleihe von tausend Reichstalern, und gesteht sie am 13. Februar 1777, noch 600 Reichstaler schuldig zu sein.Ich verhehle mir nicht, dass ich noch lange nicht alle auf diese Ange­legenheit bezüglichen Akten gefunden habe; aber schon allein diejenigen, von denen ich Kenntnis habe, bewiesen, in welche Lage ein einziger unglücklicher Prozess ein Dorf bringen konnte. Seit dem sechzehnten Jahrhundert war der gewöhnliche Zinsfuss der nach dem sechzehnten Pfennig, "au dernier" seine, nach welchem von sech­zehn Münzeinheiten eine für die Zinsen bezahlt wurde, demnach 61/4 vorn Hundert; unsere Bauerngemeinden haben bis zur Französischen Revolu­tion nur ausnahmsweise Geld zu einem niedrigem Zinfusse aufnehmen können. Daneben bestand der Zinsfuss des zwanzigsten Pfennigs, den man auch wohl den Kirchenruf nannte, demgemäss fünf vom Hundert; er findet Anwendung fast nur für die Kapitalien, die der Kirche, etwa einem Kloster, oder reichen Adligen und Bürgern geliehen wurden.

 


Eine Mittel­stufe bildete der sog. bayerische Ruf, so genannt nach einer Ordonnanz des Generalstatthalters der Niederlande, des Kurfürsten Maximilian­ Emmanuel von Bayern, aus dem Anfang des achtzehnten Jahrhunderts; er bestand darin, dass von hundert Reichstalern zu 56 Stüber als Zinsen fünf Reichstaler zwanzig Stüber, c. 5,35 vom Hundert erhoben wurden; sie fin­det sich auch, aber relativ selten, bei den durch die Gemeinden gemachten Anleihen, desto häufiger aber, in Verbindung mit dem Zinsfusse von 61/4 vom Hundert, besonders für Gelder, welche klösterliche Anstalten, wie das Hospiz von Luxemburg oder die Nonnen der Kongregation, auslei­hen; diese bestimmen nämlich in zahllosen Fällen, dass der Schuldner 61/4 vom Hundert bezahlen solle, aber nach dem bayerischen Ruf nur 5,35 vorn Hundert, wenn er die Zinsen acht, selten vierzehn Tage vor oder nach dem Verfalltag entrichte. Die hohen Zinsen von 20, 40, 60, vom Hundert, wie sie im dreizehnten bis vierzehnten Jahrhundert gefordert und bezahlt wurden, bestehen daher nicht mehr.Nur ein einziges Mal finde ich, im Jahr 1769, den sehr hohen Zinsfuss vom 71/2 vom Hundert, allerdings unter besonderen Umständen. Am ersten März 1707 entliehen nämlich die sämtlichen Untertanen der Herrschaft Burglinster, "zu bezah­lung ihrer königlichen schatzung und feindlicher contributionen", von Johann-Heinrich Lanser von Luxemburg die Summe von 200 Reichs­talern zu 56 Stübern, und stellen als Bürger den Baron Lothar von Zievel, Herrn von Bettemburg und Pfandherrn eines Teiles der Herrschaft Burg­linster, wobei sie sich verpflichten, das Geld um Weihnachten zurück­zuzahlen. Am 25. Mai 1709 erklären sie nun, sie hätten bis dahin wegen des Krieges und der herrschenden Teuerung, die Schuld nicht abtragen können und entleihen nun von dem genannten Baron dieselbe Summe von 200 Reichstaler, für welche sie jährlich vierzehn und einen halben Reichstaler Zinsen zahlen werden. Weil aber der Zinsfuss so hoch ist, suchen die Gemeinden sich da­durch Geld zu einem bestimmten Zwecke zu verschaffen, dass sie, wie ich schon hervorgehoben habe, Holz, Korden- oder Schiffsbauholz aus ihren Wäldern verkaufen; eine besondere Anleihe ist in diesem Fall nicht nötig. Oder sie verpfänden einen Teil ihrer Gemeindegüter, mit Vorliebe die Weidetriften, die demnach von dem Gläubiger bis zur Rückzahlung des Kapitals benutzt werden, oder sie vermieten diese Gemeindetriften gegen eine zum Voraus bezahlte Summe für eine bestimmte Zahl von Schafen und ebenso für eine bestimmte Reihe von Jahren.In anderen Fällen ver­pflichten sie sich, dem Gläubiger statt der Zinsen jährlich ein festgesetztes Quantum Heu, Holz oder Getreide zu liefern; allerdings war diese Art der Ausleihung von Kapitalien, der sog. Kornwucher, streng verboten, weil er eine allzu starke Ausbeutung der Schuldner war; trotzdem ist sie nicht eben selten.


So leiht die Gemeinde Bollendorf am 22. Juni 1583 hundert Gulden zu zehn Stüber (c. 82 Franken), indem sie dem Gläubiger das Recht gibt, jährlich in ihren Wäldern 24 Korden Holz zu holen und sechs Fuder Kohlen brennen zu lassen. Am 23. Mai 1670 entleiht die Gemeinde Leudelingen vierzehn Reichstaler zu 48 Stüber (c. 45 Franken), für welche der Gläubiger, statt der Zinsen, jährlich sein Brennholz in Totholz und vier Fuder Buchenholz erhalten soll. Die Gemeinde Mensdorf verpflichtet sich am 18. Oktober 1692 für ein Kapital von hundert Reichstalern zu 48 Stübern (c. 393 Franken) jährlich statt der Zinsen 14 Fuder Holz und zwei Sester Erbsen zu geben. Nun ein letztes Beispiel reinen Kornwuchers: am 13. November 1694 leiht die Gemeinde Niederanven 150 der genannten Taler (c. 600 Franken) und verpflichtet sich für die Zinsen jährlich drei Malter Weizen zu liefern. Nun galt aber in diesem Jahre der Sester Weizen 41 Stüber, das Malter von zehn Sestern demnach 410 Stüber = 8,54 Taler; die zwei Malter stellen demnach einen Wert dar von annähernd 17 Talern, was einen Zinsfuss von elf einem Drittel vom Hundert entspricht. In den dar­auf folgenden Jahren kostet der Sester Weizen, 1695 nur 18 Stüber, 1697 nur 20, 1698 wieder 361/2, 1700 nur 17, 1702 songar nur 15, 1706 wieder 44 Stüber; zum Preise von 15 Stübern den Sester berechnet, betrugen die Zinsen 4,16 vom Hundert, zum Preise von 44 Stübern dagegen 12,22 vom Hundert.


In einzelnen Fällen gab es eine regelrechte Amortisation des geliehe­nen Kapitals. So lieh die Gemeinde Beyern im September 1669 42 Reichs­taler und nahm bis zur gänzlichen Rückzahlung 200 Schafe des Gläubigers auf, wofür monatlich drei Reichstaler vom Kapital abgezogen wurden, so dass nach vierzehn Weidemonaten die Schuld ganz abgetragen war. Am 23. August 1756 erbat die Gemeinde Lenningen die Erlaubnis 200 Reichstaler zu 61/4 vom Hundert zu entleihen, und erhielt sie unter der Bedingung, dass sie jährlich 200 Korden Holz versteigern lasse, um mit dem Erlös die Schuld allmählich abzutragen.Auf eine andere Weise verschaffte sich die Gemeinde Colbet im Jahre 1734 eine Summe von 300 Reichstalern, indem sie sich verpflichtete, dem Gläubiger lebenslänglich jedes Jahr 30 Reichstaler zu zahlen. Um freilich zu wissen, für wen dieses Geschäft vorteilhaft war, ob für den Gläubiger oder die Gemeinde, müsste man feststellen können, vom theoretischen Standpunkte aus, wie alt damals der Gläubiger war, vom praktischen Standpunkt aus, wie lange er nach dem angegebenen Jahre lebte.Im achtzehnten Jahrhundert, in welchem der Wohlstand gewachsen war, wandeln einzelne Gemeinden ihre alten Schuldverschreibungen in günstigere um, indem sie zur Rückzahlung der zu 61/4 vom Hundert ent­liehenen Gelder ähnliche zu 5 aufnehmen, demnach jährlich von jedem Hundert fünf Viertel weniger Zinsen zu zahlen haben.Haben aber die Gemeinden einmal Geld entliehen, so eilen sie gewöhnlich nicht, diese zurückzuzahlen und sich damit von den hohen Zinsen zu befreien. Einige Beispiele mögen es bDas Städtchen Dasburg in der Eifeleweisen: Im Jahre 1705 verpfändet die Gemeinde Bettemburg für die Summe von 200 Reichs­talern eine Wiese, die seit dem Jahre 1636 verpfändet ist und die sie jetzt mittels dieser Summe abgelöst hat. Am 26. Februar 1703 erwirbt das Klo­ster S. Willibrord von Echternach eine Schuldverschreibung von hundert Talern zu dreissig Stübern zu Lasten der Gemeinde Bollendorf, welche diese Summe am 15. Juni 1583, also nahezu 120 Jahre früher entlehnt hatte.Der Betrag der jährlich erfallenen Zinsen wurde durch den Zentner von allen Einwohnern der Gemeinde erhoben, selbst von den Beiwohnern, bald so, und das war die Regel, weil alle dieselben Gemeinsrechte besassen, dass Reiche und Arme gleich viel zu zahlen hatten, bald derart, dass alle nach Massgabe ihrer Mittel herangezogen wurden. Als indessen in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts allenthalben die Zahl der Beiwohner wuchs, weigerten sich dieselben, vielfach mit Erfolg, die Zinsen der vor ihrer Nieder-lassung am betreffenden Ort gemachten Schulden zu bezahlen. Dasselbe Verfahren wurde eingeschlagen, wenn die Gemeinden für andere Zwecke nicht allzu bedeutende Summen brauchten. Das Finanzwesen der bäuerlichen Gemeinden lag, nach all dem Ge­sagten, sehr im Argen. Schriftliche Rechnungs-ablagen kannte man jeden­falls lange nur in vereinzelten Fällen; man half sich vielfach mit sog. Kerb­stöcken, weil doch in bei weitem den meisten Fällen der Zentner und die Ältesten vielleicht Gedrucktes lesen, aber nicht schreiben konnten, so dass man mit Fug und Recht annehmen kann, dass unredliche Zentner mehr als einmal in die Kerbstöcke ein X (10) statt eines V oder LT (5) einschnitten.

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