Unsere Vornamen

Veröffentlicht in Kulturgeschichte

Ungemein häufig sind ebenfalls die von Vor- oder Taufnamen gebil­deten Familiennamen. Ich zählte nicht weniger als 55.551 Personen, die solche trugen, also mehr als ein starkes Viertel unserer Mitbürger. Orts- und Taufnamen zusammen ergeben, auf 194.000 Seelen, etwa 105.500 solcher Benennungen.Diese Namen sind im all gemeinen älter als die der ersten Kategorie; gibt es doch unter ihnen gar manchen Vornamen, der seit vielen Jahr­hunderten nicht mehr in Gebrauch ist.Man liebte es schon früh, einzelne Personen als Sohn oder Tochter, auch wohl als Enkel, ja nicht selten als Eidam oder als Nachsatz von dieser oder jener bekannteren Persönlichkeit zu bezeichnen. Finden diese Be­zeichnungen in Urkunden oder sonstigen Aktenstücken Aufnahme, so wird im Anfang immer, später nur mehr ausnahmsweise, filius oder filia, Sohn oder Tochter, hinzugesetzt, noch später bleibt dieser Zusatz weg und der Taufname, als Familienname, erscheint in seiner immer üblichen Form, ohne irgend welchen Zusatz, oder man gibt ihm eine Endung, die geeignet erscheint, den anzudeutenden Ursprung zu beweisen.Es sind sowohl männliche als weibliche Vornamen, die zur Bildung der Familiennamen dienen. Von letzteren kenne ich folgende: Adline, Agnes (daher die Namen wie Nees, Nesen, Niesen, Noesen, Noesgen), Aline, Angela (daher Angel, Engel, Engels, Gehl, Gehlen), Anna, Apollo­nia (daher Apel, Appel, aber auch Plunien), Catharina (mit den abgeleite­ten Ketten, Threinen), Charlotte, Clara, Demuth (das als Taufname noch 1718 erscheint), Eva, Elisabeth, Gertrud (Traud und Drauden), Helena (aber nur in der ganz alten Form Hebele, Hebeler und Hebler), Hedwig, Johanna, besonders Jeannette (daher u. a. Schenten), Julia, Liefgen (von hub, die Liebe, Amata), Magdalena, Margareta, Maria, Martha, Antoinette, Otilia, Oster (das altdeutsche Ostara, auch latinisiert, für einen Mann Paschasius), Petronilla (woher Nell, Nellchen), Rachel, Rosa, Susanna (mit den abgeleiteten Sünen, Sunnen, Sinnen, Sinnes, denn statt Susanna ge­braucht man während Jahrhunderten Sunne oder Sunna). Es sind ihrer im Ganzen 29, sehr wenige, wie wir sehen werden, im Vergleich zu den männlichen Vornamen, aber unter ihnen verhältnismässig auch sehr we­nige deutsche Namen, im Ganzen nur fünf: Charlotte (in der verwelschten Form), Demuth, Hedwig, Liefgen und Oster, ein Beweis, dass die so gebil­deten Namen unmöglich in sehr frühe Jahrhunderte hinaufrücken können. Namen wie Adline und Aline sind sogar sicher recht späten Ursprungs.


Man wird sich natürlich die Frage stellen, ob denn die ersten Träger dieser Namen unehelicher Geburt waren, weil sie den Namen der Mutter, nicht den des Vaters tragen; das mag nun allerdings in einzelnen Fällen zutreffen, aber jedenfalls nur in den seltensten Fällen. In jenen Zeiten, da diese Familiennamen entstehen, tragen nicht nur die unehelichen Kinder der Edelleute, für die das ja allgemein bekannt ist, sondern auch die der Bürger und Bauern den Namen des Vaters, wenn die Vaterschaft nur irgendwie festgestellt worden war. Es wurde sogar bei der Geburt die Mutter durch die Hebamme in Beisein einiger Zeugen aufgefordert, den Namen des Vaters mitzuteilen, damit man dem Kinde diesen Namen geben könne, der Vater aber auch gezwungen werde, für Mutter und Kind zu sorgen. Es geht vielmehr die Anwendung dieser weiblichen Vornamen als Familiennamen darauf zurück, dass in den betreffenden Fällen die Mutter entweder von besserer Familie, oder dass sie mehr bekannt war, namentlich auf dem Lande, wo so häufig Auswärtige in das Haus einge­heiratet wurden. Ist es doch auch heute keineswegs selten, dass die Land­leute, wenn sie von diesem oder jenem reden, ihn als den Sohn dieser oder jener Frau bezeichnen, ohne dass man dabei an etwaige uneheliche Geburt denkt.Die männlichen Vornamen, aus denen die Familiennamen gebildet werden, sind weit zahlreicher als die weiblichen, aber es erscheinen sehr häufig die deutschen neben den französischen Namen, ob diese nun ur­sprünglich deutsch oder lateinisch und griechisch sind. Es sind ihrer nicht weniger als 178, und zwar 73 deutschen, 105 lateinischen, griechischen oder hebräischen Sprachstammes.


Deutsche Vornamen: Adolf (Alef, Alf); Albert (Aubert, Aubertin, Obertin), neben Albrecht; Alberich (nur französisch Obri und Obry); Alderich (ebenso nur französisch Audri, Audre, Audry), Allard (von Adalhard), Arnold (woher die zahlreichen Arend, Arends, Arendt, Arens und Arnd, aber auch Noltd (dieser letztere freilich nicht luxemburgischen Ur­sprungs); Balduin, (nur in französischen Formen wie Baudouin, Bodevin etc.); Balderich (ebenfalls nur in den französischen Formen Baudry u. Bodry), Berchtold, Bernard, Karl, Cuno (mit nicht weniger als 41 ver­schiedenen abgeleiteten Formen), Diederich (mit nicht weniger als 63 der­selben, bald deutsch, bald französisch, bald lateinisch), Sonntag (neben Dominikus), Eberhard, Engelbert, Ernst, Franck, Gangolf, Gehhard,Gislicenus (Ghillain), Gobel, Godart, Gottfried, Gwalter (Gauche. Gauschi, Goschy), Gottlieb, Gottschalk, Wilhelm und Guillaume, Gün­ther, Hanno, Herbert, Hermann, Hugo (woher die deutschen 11euertz, die französischen Huart), Hilbert, Hildiger (Nilger und Hildgen), Konrad, Kurt, Lambrecht, Leonhard, Liebgott, Liebrecht (Lieben), Lothar, Lud­wig, Mannhard, Pippin, Reinhard, Richard, Robert, Roderich, Rudolph, Roger, Roland, Salentin, Siegfried und Seifried, Theobald, Ulrich, Veit, Walter, Werner, Willibrord, Winand, Vollmar, Walrich, Weirich, Weiland, Wohlfahrt und Wolf.


Fremd, das heisst nicht deutsch sind Abel, Abraham, Aegidius, Alexander, Alexis, Alphons, Ambrosius, Andres, Antonius, August, Bal­thasar, Baptist, Bartholomeus, Benediktus, Blasius, Bonifacius, Briccius, Cassius, Cain, Caesarius, Caspar, Castor, Christian, Christoph, Chrysosto­mus, Claudius, Clemens, Cornelius, Crispin, Damian, Dionysius, Deodatus (in der französischen Form Dieudonnd), Dominicus, Eligius, Erasmus, Eustachius, Florian, Fortunat, Georgius, Gallus, Gregor, Hieronymus, Hippolyt, Israel, Jacobus, Jodocus, Joachim, Johannes, Jonas, Joseph, Justus, Laurentius, Lazarus, Leo, Levy, Lucas, Magnus, Marcellus, Magne­ricus, Martin, Markus, Mathias und Matthaeus, Mathurin, Mauritius, Maxi­milian, Medardus, Melchior, Michel, Nero, Nikolaus, Noe, Noel (aus Nata­lis), Octav, Paschasius (Paquet) Paulus, Petrus, Philipp, Pontius (Poncelet, Poinsignon), Quintus, Quirin, Rachel, Raphael, Remigius, Salomon, Sam­son, Samuel, Saul, Sebastian, Servatius, Severin, Simon, Stephan, Thomas, Tobias, Urban, Valentin, Valerius, Victor, Vinanz, Zacharias und Toussaint.Den 29 weiblichen Vornamen stehen daher 178 männliche gegen­über; das kommt zum grossen Teil wohl daher, dass die meisten unserer Pfarrkirchen und Kapellen männliche Heilige als Patrone haben und dass eben die Namen dieser Patrone vielfach bevorzugt werden.Gar manche dieser Vornamen sind heute, wenigstens bei uns nicht mehr gebräuchlich; wenn im 16. und 17. Jahrhundert, unter dem Einfluss des Protestantismus, biblische Namen wie Abel, Abraham, David, Samuel, häufig auftreten, heute bestehen sie nicht mehr; auch Namen wie Sonntag oder Dimanche, Übersetzung des lateinischen Dominicus, Magnericus, das ich noch 1718 als Taufnamen in der Form Mangrich finde, Toussaint, latinisiert Tossanus, Poncin oder Poncelet, Weihnacht kommen als Tauf­namen heute nicht mehr vor und zum Teil schon seit sehr langer Zeit.Manche sind bei der Bildung der Familiennamen unverändert geblie­ben, bei den meisten ist dies nicht der Fall; sehr häufig werden sie in bald verkürzter, bald verlängerter Form als Verkleinerungs- und als Kose­namen angewendet, und, wie es in unserem von jeher zweisprachigen Lande nicht anders sein konnte, bald in der Form der deutschen oder französischen Schriftsprache, bald in jener der Volkssprache.

Neben Wil­helm finden wir Guillaume, aber auch Willem und Guill; neben Georg und Georges Joerg, Gerich und das wallonische Joris; neben Ludwig und Louis Ludig, Lutgen und Lutz. Ist der Name lang, so wird er nur selten voll beibehalten; das Volk liebt die langen Vornamen nicht, es kürzt sie vielmehr ab, wenn es nur möglich ist. Heisst das Mädchen Katharina, Margareta, so wird man nur in den wenigsten Fällen im Volksmunde den vollen Namen hören, viel öfter dagegen Cathrin, Ketti, Gret oder, sogar mit Hinzufügung einer neuen Silbe, Gretchen, Gredele. Es ist ganz natür­lich, dass dies auch bei der Bildung der Familiennamen hervortritt. Äusserst wird die erste Silbe des Namens weggelassen: aus Nikolaus ent­steht Klaus, Klos, aus Agnes Nese, aus Angela oder Angelika Gehle, aus Ambrosius Bros, lateinisch Brosius, aus Anton Tinnes, aus Eustach — Staas, aus Andreas — Drees, aus Cornelius — Nilles, aus Jacobus — Kappes. Stärker ist der Wegfall in Sander und Zander, gebildet aus Alexander. Wie verschiedenartig die Veränderung sein kann, zeigt namentlich der Name August oder Augustin; wohl haben wir diese beiden Formen auch als Familiennamen unversehrt erhalten, aber daneben erscheint das eng zu­sammengezogene Augst, sogar Ast, und endlich, ein seltenes Beispiel, der eigentliche Wortstamm verschwindet fast ganz, es bleiben nur die beiden letzten Konsonanten, st, mit ihnen die Endung in, sie bilden den Familien­namen Steines.Bleibt in den angegebenen Fällen der Name unversehrt, wie ihn die Schrift- oder die Volkssprache kannte, so werden auch in sehr vielen Fäl­len die Genetivendungen hinzugefügt, bald en, dort wo aus sprachlichen Gründen eine andere Endung unangebracht wäre, wie in Frantzen, Gillen, Clasen, Nesen, Gloden, bald s, es, z oder tz, wie in Adams, Adames, Gil­bertz, Schütz, sei es dass damit die betreffenden Personen als Sohn eines Franz oder Adam bezeichnet werden, oder als zum Franzen- oder Adams­haus gehörig.In einzelnen Fällen wird dem so gebildeten Namen noch eine wei­tere Silbe hinzugefügt, die sonst nur zu ursprünglichen Ortsnamen gehört, die Silbe er; so entsteht aus Clos Closen, aus diesem wieder der Closener, de Closener, der aus Closenhaus.


Manche Namen machen nur geringfügige und wenig zahlreiche Ver­änderungen mit, das sind vor allem diejenigen, die nur selten vorkommen. Aber wie ganz anders jene, die häufiger vorkamen, namentlich die Tauf­namen Bartholomäus (mit 28 verschiedenen Formen), Cuno (41), Diede­rich (65), Heinrich (51), Jakob (37), Johann (65); der Taufname Nikolaus bildet sogar nicht weniger als 86 verschiedene Familiennamen. In seiner Abhandlung über die deutschen Familiennamen zählt Albert I Ieintz etwas über hundert Familiennamen auf, die, aus allen Teilen Deutschlands stam­mend, von Johannes abgeleitet sind, von Jakob 27, von Nikolaus 55. Wie viel reicher ist daher die Fortbildung unserer Namen, aber freilich, nicht das Deutsche allein, auch das Französische hat zu derselben beigetragen, und stellen wir die sämtlichen Ableitungen von einigen dieser Stamm­formen zusammen, so treffen wir ein buntes Durcheinander deutscher, französischer, wallonischer und selbst lateinischer Formen.Jacobus bildet (ich ziehe die alphabetische Ordnung hier jeder ande­ren vor) Jaacques, Jaak, Jackernin, Jacob, Jacobs, Jacoby, Jacquart, Jacque, Jacquele, Jacquelin, Jacquemin, Jacques, Jacquet, Jakob, Jakobs, Jakoby, Jaming, Jamin, Jamine, Jaminet, Jaminnet, Jaekels, Jacques, Jacquin, Jeck, Jeckel, — Kopes, Koppes, — Schaac, Schaack, Schaak, Schack, Schamine, Scheck, Scheckel, Scheeck, Scheck.Von Aegidius haben wir dagegen nicht einen in deutscher Weise ge­bildeten Familiennamen, trotzdem manche derselben eine deutsche En­dung haben: Gilet und Gillet, Kosenamen, nicht, wie Herr Müller an­nahm, Bezeichnung der Weste, de gilet: Gillart, Gille, Gillen, Gilles, Gillessen, Gill, Gilli, Gils, Gilson, Giltz, Gilzon, Schilson, Schiltgen, Schilt- ges, Schütz, Schilz, Scheltgen.

Eine ganz eigene Erscheinung bieten die Namen Steines aus Augu­stin, Seimes und Seimetz aus Simon, da in beiden Abteilungen das i, ähn­lich wie in manchen holländischen und besonders in englischen Wörtern, in ei übergeht.

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