Eine Geschichte im "Dreißigjährigen Krieg"

Verfasst von Arno Bourggraff. Veröffentlicht in Bourggraff Geschichte

Diese Geschichte über das Leben meiner Vorfahren ist frei erfunden. Die beschriebenen Personen haben in dieser Zeit gelebt. Auch die Kriege und Schlachten sind real. Niclas war mein Vorfahre in 9. Generation. Auch trugen meine Vorfahren bis ins 18. Jahrhundert den Titel „Francs-homme“.

Hier also nun eine Geschichte, wie mein Vorfahre sie erlebt haben könnte:

Heute am Fest Lichtmess im Jahr des Herrn 1650, jetzt wo dieser unselige Krieg (den man später den „30-Jährigen“ nennen wird) vorbei ist, denke ich, Michael Sondach Bourggraff, zurück an Lichtmess 1635.

Ich war damals ungefähr 45 Jahre alt. Das Leben ist auch heute noch mühsam, doch wenn ich an damals denke - kein Tag an dem ich und meine Leute nicht Angst hatten, dass marodierende Soldaten in unserem kleinen Dorf Troynes (Troine) auftauchten. Von meinen sechs Kinder, drei Söhne und drei Töchter, war erst unser Michael geboren. Der Großvater, den ich nur mit seinem langen weißen Bart kannte, hatte mir und meinen Geschwistern viele Geschichten erzählt. Wie er sich als junger Bursche als Soldat beim Herzog von Bouillon verdingte. Er war der Sohn eines Freien aus Besslingen. Und es da der Münder so viele zu stopfen gab, musste er früh auf eigenen Beinen stehen. Er erzählte uns immer wieder, wie er in der Schlacht von Heiligerlee (Niederlande) bei einem Kampf gegen die Reformierten (er diente als guter Katholik bei den Franzosen und Spaniern) dem Herzog von Bouillon das Leben rettete. Nach der Schlacht wurde er zum Tross des Herzogs gebracht, dem er fortan als persönlicher Leibgardist diente.

Nun zog sich der hohe Herr auf seine Residenz in Bouillon zurück. Er nahm den jungen Knappen, mein Großvater mit, was dieser auch gerne tat. In Bouillon wurde er zum Ritter geschlagen und schon ein Jahr später wurde er zum Burggraf auf einem der vielen Besitztümer des Herzogs in Arlon befördert. Welch ein Aufstieg für den Bauernsohn! Viele Jahre lebte er dort im Schloss, erzählte der Opa. Im Alter von etwa 50 Jahren bat er den Herzog, ihn aus dem Dienst des Burggrafen zu entlassen. Die vielen Aufgaben und die dauernden Querelen mit den Nachbarn, die er als Verwalter immer schlichten musste, machten ihm schwer zu schaffen. Der Herzog entließ seinen Getreuen. Er ernannte ihn zum „Francs-homme“ (Freimann oder Edelmann) und schenkte ihm das Anwesen in Troynes (Troine), wo ich heute noch lebe. Er durfte auch weiterhin den Namen des Burggrafen behalten. Auch ich und meine Brüder haben den Namen Burggraf (Bourggraff) übernommen und den Titel der Francs-homme geerbt. Das heißt wir zahlen keine Abgaben und Steuern. Leider muss ich jedes Jahr nach Bastogne mit meinem Pferd und unserem alten Schwert (ein Erbstück meines Großvaters) zur Musterung. Er hat mir nie erzählt wie oft er es gebraucht hat. Ich bin jedes Mal froh, wenn ich von dieser „Vue“ zurück bin, meinen Titel als Francs-homme behalten darf und nicht in den Krieg ziehen muss, wenn der Graf oder König ruft. Das gehört zu den Pflichten eines Francs-homme. In einem Bericht aus dem Jahre 1602 wurde mein Vater Sondach Bourgraff namentlich in dem Bericht der Préfectur Bastogne als Francs-homme, erwähnt.

Ja es war damals an Lichtmess 1635 mitten in dem unseligen Krieg, als 2 Tage vor Lichtmess mein Großvater mich zu sich rief und mir sagte er habe mir etwas anzuvertrauen. Er hätte letzte Nacht geträumt, es wären marodierende Soldaten ins Dorf gekommen und hätten geplündert und gebrandschatzt. „Nein“, sagte mein Opa, „es war mehr als nur ein Traum, du musst deine Familie schützten und auch die anderen Leute aus dem Dorf.“ Er sagte das so eindringlich, dass ich es mir zu Herzen nahm und sofort anfing, unsere Töpfe, Pfannen, Küchengeschirr, Betten, Bank und Tisch im Wald zu verstecken. Die Goldstücke mussten vergraben werden. Das Vieh war schnell in die Wälder getrieben. Desgleichen taten es alle Leute aus dem Dorf. Wenn auch mancher nicht voll überzeugt war vom Traum meines Opas, hatten sie doch großen Respekt vor ihm. Das, was er sagte, war im Dorf immer noch ungeschriebenes Gesetz, auch wenn er nicht mehr den Dienst des Burggrafen ausübte. So harrten wir der Dinge, die da kommen sollten. Oberhalb des Dorfes verlief die Straße von Luxemburg nach Bastogne und wir hofften, dass keine Soldaten unser Dorf finden würden. Die Kinder und älteren Leute hatten sich inzwischen fast eine halbe Tagesreise entfernt im Wald versteckt. Die Männer im wehrfähigen Alter, bewaffnet mit Schwertern und Heugabeln, warteten versteckt am Rande des Dorfes.

Und tatsächlich erschienen zerlumpte Gestalten, bewaffnet mit Hieb- und Stichwaffen. Als sie niemanden antrafen, tobten sie ihre Wut aus, indem sie alles, was ihnen im Weg stand, zerstörten. Sie legten Feuer und bald brannten die meisten Häuser lichterloh. Auch unsere Schuppen fingen Feuer. Das gesamte Heu und Getreide im Schuppen fiel dem Feuer zum Opfer. Glücklicherweise hatten wir noch mehrere Schober im Wald. Dies reichte für die Zeit bis zum Austrieb unserer Tiere im Frühjahr. Auch war unser Haupthaus mit den Stallungen und der großen Scheune mit Schieferplatten gedeckt, so dass das Feuer ihm nicht viel antun konnte.

Zwei Tage hielten wir uns versteckt, bis wir uns wieder ins Dorf wagten. Einige hatten inzwischen unseren Leuten, die sich weitab im Wald versteckten, Bescheid gebracht, dass die Soldaten weg seien und dass der Schaden sich in Grenzen hielt. Das Dach unserer kleinen Kirche war zwar abgebrannt, die Bänke zerschlagen, aber das ließ sich wiederherrichten. Wir waren es ja gewöhnt, dass es immer wieder Überfälle gab. Zwei Tage später, als wir die gröbsten Schäden behoben hatten, versammelte sich das ganze Dorf - mit den Kindern und alten Leute immerhin über 50 Personen - in unserer Kirche, wo unser Pfarrer eine Dankesmesse hielt. Wir waren so froh, dass unser Herrgott dem Opa Bourggraff in diesen Traum gezeigt hat, was auf uns zukommt. Ein Sohn von mir, Joes, entschied sich, den Beruf des Geistlichen zu ergreifen. Ob diese Entscheidung, Priester zu werden, mit dieser wunderbaren Bewahrung zusammenhing, weiß ich nicht. In unserm Dorf sprach man viele Jahre lang darüber. Die alten Leute erzählten den Kindern auch viele Schauergeschichten, die sie teils erlebt, teils erfunden hatten ... vielleicht auch, um die Kinder abzuschrecken, sich zu weit vom Dorf zu entfernen. In unserer Gegend gab es in dieser Zeit viel Schrecken und Not.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie ein benachbarter Pfarrer Jahre später einmal beim Kirchweihfest nach dem Hochamt erzählte:

Es war im Jahr des Herrn 1635 nach der Kriegserklärung Frankreichs an Spanien. Nun entlädt der Fluch des bereits 17 Jahre wütenden 30 jährigen Kriegs sich auch über das Herzogtum Luxemburgs. Mehr als zehnmal tausend Teufel, kaiserlicher Söldner aus Kroatien und der Polackei, fegen unter Piccolomini raubend sengend, schändend und mordend über die Mosel, das Zentrum und den Süden des Landes hin und lassen Hunger, Leichen, Trümmer, Wüste und eine beispiellose Pest zurück, die das ganze Land blitzartig befällt. In den Pfarreien rafft der Tod jählings Hirt und Herde, an manchen Orten 2 Pfarrer im gleichen Monat weg. Ganze Dörfer sterben auf immer aus, andere bleiben jahrzehntelang menschenleer, die übrigen höchstens zu einem Drittel, und oft nur verstohlen bewohnt. Der kahle Wald allein bietet einige Sicherheit. Die im Wald geborene Generation, wird fünfzig Jahre keinen rechten Frieden sehen. Der Krieg gilt auch diesmal den Kirchen, Kelchen und Glocken. Einzelne Pfarreien bleiben 10, ja 20 Jahre ohne Pfarrer; die wenigsten am Ort verbliebenen Pfarrern bauern notgedrungen". (Dieser Teil in Schrägschrift ist ein Bericht aus der Chronik der Kirche, Archiv Trier)

  

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