Das Bauernleben
Das Bauernleben
Von den landwirtschaftlichen Gebäuden aus der Römerzeit birgt unser Boden noch zahlreiche Überreste, einerseits von den Landgütern der Reichen, an die sich die Wirtschaftsgebäude anschlossen, anderseits von den Häusern der minder bemittelten Leute. Die ersten sind aus Steinen und Ziegeln aufgeführt, die durch einen ausgezeichneten Zement miteinander verbunden waren, im Innern mit allem möglichen Komfort und Luxus ausgestattet; die Dächer waren durchgehends mit Ziegeln gedeckt, die Fensteröffnungen nicht selten durch Glas verschlossen. Die Gebäude der zweiten Art waren dagegen mit weniger Sorgfalt her-gestellt, der Zement vielfach schlecht und wenig widerstandsfähig; statt des Estrichs und des Mosaikbodens findet man eine einfache Tenne aus festgeschlagener Erde. Doch kann man, wegen der überaus zahlreichen Reste alter Gebäulichkeiten und des grossen Steinreichtumes des Landes annehmen, dass in der Römerzeit fast alle Gebäude aus Stein errichtet wurden, während in den auf die Völkerwanderung folgenden Jahrhunderten Holzbauten die Regel waren; dass dem so war, erkennt man schon allein aus dem Namen des Dorfes Steinsel, das seinen Namen daher trägt, dass die Herrenwohnung des Ortes, die "sala", aus Stein aufgeführt war; man hätte sie nicht den Steinsaal genannt, wenn Steinbauten die Regel gewesen wären.
Die bäuerlichen Niederlassungen trugen anscheinend während des ganzen Mittelalters denselben Charakter zur Schau, den wir, abgesehen von dem seit langer Zeit grösser werdenden Komfort, auch heute noch wahrnehmen. Grosse Bauernhöfe und namentlich die von den Dörfern abseits stehenden Höfe bilden meistens ein grosses Viereck, dessen vordere Seite durch eine Mauer und ein Einfahrtstor abgeschlossen ist (im Mittelalter durch eine Umzäunung von Planken), während, um den Hofraum herum, in welchem der Düngerhaufen liegt, an zwei, gewöhnlicher drei Seiten das Wohnhaus, die Ställe und die Scheunen angebracht sind; liegt das Haus inmitten des Dorfes, so dehnen sich hinter demselben der Garten und der Pesch und Bongert aus, an die sich nicht selten auch noch Ackerfelder anschliessen; handelt es sich um ein ausserhalb des Dorfes allein stehendes Bauernhaus, so liegt dieses gewöhnlich in der Mitte der dazu gehörigen Äcker. Bei kleineren Betrieben, die wir wohl als Unterabteilungen der alten umfangreichen Vogteien oder als Neugründungen auf beschränktem Raume ansehen müssen, wie etwa die Häuser des erst im. achtzehnten Jahrhundert gegründeten Altrier, sind Wohnhaus, Stallungen und Scheunen meistens unter einem Dache vereinigt, aber so, dass diese drei durch starke Giebelmauern von einander getrennt sind.
Die meisten Häuser hatten nur ein Erdgeschoss, das aber so niedrig war und vielfach noch ist, dass ein mittelgrosser Mann bequem mit ausgestreckten Armen an die Decke reichen kann. Über dem Erdgeschoss befindet sich der Speicher, der ursprünglich nur als solcher, dann aber, namentlich wenn die Familien kinderreich waren, als Schlafzimmer für diese und wenigstens einen Teil der Dienstboten diente, trotzdem aber in den meisten Bauernhäusern auch heute noch als Speicher bezeichnet wird; er war und ist noch vielfach sehr niedrig, die Fensteröffnungen oft genug nicht höher als dreissig Zentimeter. Dient der Speicher als Wohnraum, ganz oder teilweise, so wird der darüber befindliche Raum der oberste Speicher genannt.
Sozusagen alle Bauernhäuser wiesen im Innern dieselbe Einteilung auf. Durch die Mitte des Gebäudes, von der Strasse her, führt der Hausgang, auf den links die Stube und die Küche münden, rechts die Kammer und eine Vorratskammer, "spenchen". Die Stube war, ausser der Küche, der einzige heizbare Raum, und zwar wurde sie die längste Zeit nicht durch Öfen geheizt, sondern vermittels der Kaminplatte, der Tak, von der Küche aus. Zwischen Stube und Küche, dort, wo in dieser sich der Feuerherd befand, war nämlich die Mauer durchbrochen; in den untern Teil setzte man die gusseiserne Tak ein, die dann durch das Herdfeuer erwärmt wurde; oberhalb der Tak wurde in die durchbrochene Mauer ein Schrank eingebaut, der "Takeschäf". In der Küche wurden auf dem Herde die Lebensmittel für Menschen und Vieh zubereitet, zum Teil in Töpfen, Tiegeln und Pfannen, die man direkt auf das Herdfeuer stellte, zum Teil in solchen, die in den aus dem Kamin herabreichenden Kesselhaken angehängt werden; die meisten dieser Kesselhaken, he'l, sind so eingerichtet, dass man zwei oder drei Töpfe zugleich über das Feuer hängen kann, einzelne sind auf vier, fünf, sechs Töpfe eingerichtet, alle aber so, dass man die Töpfe je nach Belieben höher oder niedriger hängen kann.
Die der Stube gegenüber liegende Kammer dient als Schlafraum, war aber vor der Einführung der Eisenöfen nie geheizt. Möbel gab es wenig; in der Stube und Küche ein Tisch und um die Wand herumgehende Bänke, seltener Stühle oder Schemel, in der Kammer die Betten, ausnahmsweise ein Schrank, gewöhnlicher Kisten und Schreine für die Aufbewahrung der Leinwand, der Kleider und der sonstigen Hausgeräte. Diese waren im grossen Ganzen wenig zahlreich, wogegen man mehr Wert auf alles legte, was zum Ackerbau diente. Nichts kann dieses und den Unterschied zwischen heute und früher besser beweisen als die Möbelinventare der vergangenen Zeiten, von denen ich zwei mitteilen will und zwar in der Form, in der sie niedergeschrieben worden sind.
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