Arno 12 Jahre

 

Arno Bourggraff

Arno 18 Jahre

Das Bauernleben

Zu Besch (1542) erhalten die Schöffen mit ihren Weibern am Sonn­tag nach Dreikönigstag zweierlei Weizenbrot, zweierlei Wein, gute Erbsen mit Speck, Rindfleisch mit Senf (moestart), Braten mit Knoblauch, Schweinefleisch mit gelber Brühe und Reis mit Kuhmilch; das Getränk ist nicht erwähnt. Zu Hagelsdorf bei Betzdorf (1596) erhalten die Schöffen, der Meyer und der Bote mit ihren Frauen Rindfleisch mit Senf, Schweine­fleisch mit Brühe, zu je zweien ein gekochtes Huhn, Reis und Schweine­braten mit einer Sauce, Käse, Brot, Wein "sonder lack" (ohne Mangel) und ein Feuer ohne Rauch, d. h ein geheiztes Zimmer ohne Rauch. Zu Olingen (1545) gilt folgender Speisezettel: Erbsen mit Speck, Rindfleisch mit Senf, "bruelinck" mit gelber Brühe (Safransauce), Reis mit "polver", d.h. mit gestosse­nem Zimmet, Brathühner und Schweinsbraten, zweierlei Mus, zweierlei Brot, zweierlei Käse, zweierlei Birnen, u. Wein. Zu Rodenborn (1568) ist der Speisezettel einigermassen anders: Erbsen und Speck, Rindfleisch mit Senf, "bruelinck" mit gelber Brühe, Hühner mit gelber Brühe, gebraten "brue­linck" und gebratene Hühner, Reis mit "canele" bestreut, gebratene Birnen mit Fenchel, Presskäse und Butterkuchen, von allem "genoch", d. h. soviel, dass die Gäste sich mit dem ihnen vorgesetzten Quantum zufrieden erklären.

Gewöhnlich wird bei solchen Gelegenheiten nicht erwähnt, wieviel Wein oder Bier den Gästen zustehe; wurden auch diese aufgetischt, bis die Gäste genug hatten? Wenn das der Fall war, und es verhielt sich dem anscheinend so, wie wir gleich sehen werden, so war es ein Glück für den Gastgeber, dass wenigstens die Zeit begrenzt war, denn sonst wäre er wohl gleich bei Antritt seines Amtes von Haus u. Hof weggesoffen wor­den. Die deutsche und die niederländische Kunst haben eine grosse An­zahl von Gemälden und Holzschnitten mit der Darstellung von Bauern­kirmessen und -hochzeiten geschaffen, auf denen als charakter-istische Figur selten der Bauer fehlt, der den Überschuss dessen, was er genossen, wieder von sich gibt, um dann, wenn nur irgend möglich, wieder von vorn anzufangen. Dass es bei unsern Bauern der früheren Zeiten nicht besser war, lehrt uns die heutige Erfahrung. Bezeichnend dafür ist das Weistum von Eich (1597): der neue Schöffe ist zunächst dem Gericht und dem Amtmann nach der Eidesleistung eine ziemliche Mahlzeit zu geben schuldig, die man die Suppe nennt; am folgenden Tag denselben und deren Weibern das Morgenessen mit zweierlei Wein "und sonsten gebra­ten und gesotten, (dass) das essen kan vur gnügsam erkent werden, "nach welchem erkentnus sie wiederum nider zu sitzen macht haben und soviel zu drinken inen geliebt"; am dritten Tag erhalten die Gerichtsleute allein, nicht aber ihre Frauen, ein Morgenessen, "wozu ein jeder gerichtsman ein pilliges oder ein mass wein zu steuwer zum wein giebt".

Die Nahrung der Bauern war nach dem Vorhergehenden zu schlie­ssen eine andere als heute, wo zunächst die Kartoffel eine ganze Menge der früheren Nahrungsmittel verdrängt hat und anderseits, seit annähernd einem Jahrhundert, der Morgenkaffee die bis dahin als erste Mahlzeit gebräuchliche Suppe oder den Sterz ersetzt hat. Fast alleinige Speisen waren die verschiedenen Breiarten aus Hirse, Hafer oder Gerstengraupen, die gedörrten Hülsenfrüchte und örtlich das Wildkorn, sei es in Form von Sterz oder von Pfannkuchen, daneben natürlich die rohe oder geronnene Milch, "Brach". Fleisch kam selbst in einem grossen Teil des neunzehnten Jahrhunderts, sogar bei besseren Bauern, in der Regel nur zweimal auf den Tisch, frisches Fleisch nur, wenn eben ein Stück Vieh geschlachtet wor­den, sonst das ganze Jahr hindurch nur Rauchfleisch oder gesalzenes Fleisch. Kalbersch, in seinem Werke: Gebrauch und Missbrauch geistiger Getränke (II 356) gibt an, wie die Bewohner von Erpeldingen bei Ettel­brück sich ernähren, wo er Pfarrer war, und welches heutzutage zu den besten unserer Dörfer gehört, und zwar für das Jahr 1852. Als Ausgangs­punkt nimmt er einen Satz, der am 19. Oktober 1852 in der Deputiertenkammer zu Luxemburg gesprochen wurde: "Unsere Taglöhner, die mei­sten unserer kleinen Bauern sind froh, zwei oder dreimal wöchentlich Fleisch zur Mahlzeit zu haben, während unsere Gefangenen dessen wö­chentlich viermal essen". Er stellt fest, wieviel Essfleisch in dem betreffen­den Jahre zu Erpeldingen geschlachtet wurde, im Durchschnitt für jeden der 562 Einwohner 293/4 Pfund auf das Jahr, aber so, dass in 19 Häusern nicht geschlachtet wurde, also auch kein Fleisch vorhanden war, dass in 23 andern Häusern zwölf Pfund auf den Kopf fielen, in anderen 20 Häu­sern 27 Pfund; wieviel aber wöchentlich auf die übrigen sechzehn, ver­möglicheren Häuser kam, gibt er nicht an und kann auch aus den von ihm mitgeteilten Daten nicht ermittelt werden. In bezug auf die sonstige Nah­rung teilt er die Bevölkerung in fünf Klassen ein (ich gebe seine Zusam­menstellung wörtlich): "Die Haupt-, das ist die allgemeinste Nahrung unserer Landleute, sind Grundbirnen, Brod und Milch. Die erste Klasse hat in der angeführten Hauptnahrung Überfluss, isset auch in der Woche ein- oder zweimal Fleisch. Zu dieser Klasse gehören zehn Häuser. Die zweite Klasse hat an der Hauptnahrung eine Genügsamkeit, aber nicht immer Milch, und an einigen Sonntagen Fleisch. Zu ihr gehören elf Häu­ser. In die dritte Klasse kommen 37 Häuser. In gesegneten Jahren haben sie Kartoffeln genug. Das Brot muss gespart werden. Zwei Drittel des Jahres haben sie mehr oder weniger Milch. In der Regel schlachtet jedes dieser Häuser ein Schweinchen. In die vierte Klasse stellen sich 24 Fami­lien. Diese haben auch in glücklichen Jahren Grundbirnen zu wenig. Ihr in Fleiss und Schweiss gewonnenes Brot könnten sie bei der Sparsamkeit im halben Jahre essen. Ans Fleischessen darf nicht gedacht werden, haben doch Milch, so viel eine hungrige Kuh gibt. Zur fünften und letzten Klasse zähle ich fünf Familien. Die leben hauptsächlich von der christli­chen Barmherzigkeit."

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