Arno 12 Jahre

 

Arno Bourggraff

Arno 18 Jahre

Das Bauernleben

Das hervorragendste Nahrungsmittel, vor der Einführung der Kar­toffel, war das Brot. Als solches wurde fast nur Roggen- oder schwarzes Brot gegessen, das allenthalben im Bannofen gebacken werden musste, und zwar gewöhnlich derart, dass, wie es noch heute dort üblich ist, wo keine Bäckerläden bestehen, der Bauer jedesmal einen ganzen Ofen voll auf einmal backen liess, also einen Vorrat auf mehrere Wochen anlegte. Weissbrot herzustellen war gewöhnlich nur den Wirten gegen eine beson­dere Abgabe erlaubt, die dafür in ihrem Hause einen Backofen zur Her­stellung dieses Brotes, sowie von Kuchen, Torten und Fladen hatten; die­ser durfte aber über eine bestimmte Grösse nicht hinausgehen.

Die Brotlaibe waren gewöhnlich sehr gross; solche von zehn Pfund waren die gewöhnlicheren, doch gab es auch solche, für deren Herstellung ein ganzer Sester Korn erfordert war, die demnach bis an zwanzig Pfund schwer waren, gross wie ein Pflugrad, sagt das Sprichwort, oder, wie ein Weistum sagt: Wenn dem Fröhner beim Pflügen ein Rad breche, so solle er dieses durch ein Brot ersetzen u. dann weiter pflügen, bis dieses abge­nutzt sei. Die kleineren Brote, wie sie namentlich den frohnenden Bauern bei oder nach der Arbeit geliefert wurden, hiessen gewöhnlich Mutschen, zu Dalheim "meuten" zu Lintgen "mütten", seltener Semmeln. Über ihre Grösse bemerken die Weistümer von Berburg, sie müssten so gross sein, dass, wenn man den Daumen in die Mitte setze, man mit den Fingerspitzen den äussern Rand an allen Ecken erreiche; daher rührt auch wohl die heute noch vielfach beobachtete Sitte, in die Mitte der Oberfläche der nament­lich kleineren Brote mit einem Finger ein Loch einzudrücken; nach ande­ren Angaben müssen sie ein Pfund wiegen. Zu Dalheim nimmt man für ihre Herstellung Mischlerfrucht, zwei Drittel Roggen und ein Drittel Weizen.

Wie sehr das Brot als Hauptnahrung gilt, geht aus den vielfachen, religiösen, zum Teil abergläubischen Gebräuchen hervor, die mit demsel­ben verknüpft sind. Ed. de la Fontaine, in seinen luxemburger Sitten und Bräuchen (S. 102) bemerkt dazu: "Schon bei der Bereitung des Sauerteiges macht die Hausfrau denselben mit dem Zeichen des Kreuzes. In der luxemburgischen Eifel erhält das erste „Brod“, welches in den Ofen kommt, ein Kreuz eingedrückt und heisst das Kreuzbrod; dasselbe wird zuletzt gegessen". In der Viandener Gegend wurde lang auf jedes einzelne Brot aus etwas gerolltem Teig ein Kreuz aufgelegt oder mittels des Messers in den Teig ein Kreuz gemacht. "Niemals wird ein Brot angeschnitten, ohne dass man mittels des Messers, doch ohne zu schneiden, auf die flache Seite ein Kreuz macht. Allgemein gilt es bei unseren Landleuten als eine unver­zeihliche Rohheit das Brot auf den Rücken, d. h. auf die gerundete, statt auf die flache Seite zu legen. Edelleuten, die sich vergangen hatten, wurde das Tischtuch zerschnitten und das Brot verkehrt gelegt". "Das am Charfrei­tag gebackene Brot ist heilig; wer davon isst, wird selig" Wenn auf Mariä Himmelfahrt, "Liffraweschdach", der Krautbüschel, "Wesch", gesegnet ist, werden die darin enthaltenen Fruchtähren ausgekörnt u diese Samen in den Kornhaufen gemischt, damit das tägliche Brot und die zukünftige Saat gesegnet sei . Am Hubertustage wird in der Kirche von Hassel, Salz, Brot und Hafer als Mittel gegen die Tollwut gesegnet; von dem Brot erhalten Menschen und Vieh ein Stückchen zum Essen, den Rest nimmt man auf Reisen mit. Dieses Brot besitzt die Eigenschaft, niemals schimme­lig zu werden. Noch im neunzehnten Jahrhundert, vielleicht auch heute, liess man besondere Hubertusbrötchen in der Gestalt eines Huber­tushörnchens backen und segnen; wer ein solches bei sich trug, war vor den Bissen der tollen Hunde und vor der Tollwut sicher. "Bei unsern Bauern bestand der uralte Brauch, den in ein Tuch eingewickelten Brotlaib stets auf dem Stubentisch liegen zu lassen und alle auf Besuch ein­tretenden Fremden zu bitten, das Hausbrot zu versuchen".

Die kleineren Wecken von Brot, wie sie auch zur Zeit noch herge­stellt werden, erinneren zum Teil durch ihre Form und ihren Namen an sexuelle Verhältnisse, bei deren Bezeichnung unser Landvolk bekanntlich keineswegs prüde und zurückhaltend ist. Ich will ihrem Beispiel nicht fol­gen und nur bemerken, dass auf Weihnachten Pate und Patin ihrem Pa­tenkinde das "kendel" Kindel, zu schenken pflegten, das ist ein Backwerk von unförmlicher Kindleingestalt.

                                                   

Die Nahrung des Volkes hat sich im Laufe der Zeiten wesentlich geändert und zwar in dem Masse, wie neue Nährpflanzen eingeführt wur­den. So erscheint urkundlich in unseren Gegenden, und zwar zuerst im neunten Jahrhundert, der Weizen, woraus freilich nicht geschlossen wer­den kann, dass er erst damals eingeführt wurde; das Prümer Urbar des genannten Jahrhunderts kennt ihn zu Remich und zu Beuren. Dasjenige von S. Maximin, aus dem elften Jahrhundert, kennt den Weizenbau auch schon für Mersch, Olingen, Manternach, Mertert, Wasserliesch, Wincheringen, Apach und Besch, Frisingen u. die benachbarten Ortschaften. Bis dahin war der Spelz, epeautre, die bessere Körnerfrucht neben Roggen, Hafer und Gerste und ist es, namentlich in dem belgischen Luxemburg, mit Ausschluss des Weizens, bis in den Anfang der neuen Zeit geblieben; später wurde er allenthalben mehr und mehr durch den Weizen verdrängt, der nach seinem lateinischen Namen "frumentum" zu urteilen (man verglei­che das französische froment) aus Frankreich herüber kam.

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