Arno 12 Jahre

 

Arno Bourggraff

Arno 18 Jahre

Das Bauernleben

Das Bauernleben

Von den landwirtschaftlichen Gebäuden aus der Römerzeit birgt unser Boden noch zahlreiche Überreste, einerseits von den Landgütern der Reichen, an die sich die Wirtschaftsgebäude anschlossen, anderseits von den Häusern der minder bemittelten Leute. Die ersten sind aus Stei­nen und Ziegeln aufgeführt, die durch einen ausgezeichneten Zement mit­einander verbunden waren, im Innern mit allem möglichen Komfort und Luxus ausgestattet; die Dächer waren durchgehends mit Ziegeln gedeckt, die Fensteröffnungen nicht selten durch Glas verschlossen. Die Gebäude der zweiten Art waren dagegen mit weniger Sorgfalt her-gestellt, der Zement vielfach schlecht und wenig widerstandsfähig; statt des Estrichs und des Mosaikbodens findet man eine einfache Tenne aus festgeschlage­ner Erde. Doch kann man, wegen der überaus zahlreichen Reste alter Gebäulichkeiten und des grossen Steinreichtumes des Landes annehmen, dass in der Römerzeit fast alle Gebäude aus Stein errichtet wurden, wäh­rend in den auf die Völkerwanderung folgenden Jahrhunderten Holzbau­ten die Regel waren; dass dem so war, erkennt man schon allein aus dem Namen des Dorfes Steinsel, das seinen Namen daher trägt, dass die Her­renwohnung des Ortes, die "sala", aus Stein aufgeführt war; man hätte sie nicht den Steinsaal genannt, wenn Steinbauten die Regel gewesen wären.

Die bäuerlichen Niederlassungen trugen anscheinend während des ganzen Mittelalters denselben Charakter zur Schau, den wir, abgesehen von dem seit langer Zeit grösser werdenden Komfort, auch heute noch wahrnehmen. Grosse Bauernhöfe und namentlich die von den Dörfern abseits stehenden Höfe bilden meistens ein grosses Viereck, dessen vor­dere Seite durch eine Mauer und ein Einfahrtstor abgeschlossen ist (im Mittelalter durch eine Umzäunung von Planken), während, um den Hof­raum herum, in welchem der Düngerhaufen liegt, an zwei, gewöhnlicher drei Seiten das Wohnhaus, die Ställe und die Scheunen angebracht sind; liegt das Haus inmitten des Dorfes, so dehnen sich hinter demselben der Garten und der Pesch und Bongert aus, an die sich nicht selten auch noch Ackerfelder anschliessen; handelt es sich um ein ausserhalb des Dorfes allein stehendes Bauernhaus, so liegt dieses gewöhnlich in der Mitte der dazu gehörigen Äcker. Bei kleineren Betrieben, die wir wohl als Unter­abteilungen der alten umfangreichen Vogteien oder als Neugründungen auf beschränktem Raume ansehen müssen, wie etwa die Häuser des erst im. achtzehnten Jahrhundert gegründeten Altrier, sind Wohnhaus, Stallun­gen und Scheunen meistens unter einem Dache vereinigt, aber so, dass diese drei durch starke Giebelmauern von einander getrennt sind.

Die meisten Häuser hatten nur ein Erdgeschoss, das aber so niedrig war und vielfach noch ist, dass ein mittelgrosser Mann bequem mit ausge­streckten Armen an die Decke reichen kann. Über dem Erdgeschoss be­findet sich der Speicher, der ursprünglich nur als solcher, dann aber, namentlich wenn die Familien kinderreich waren, als Schlafzimmer für diese und wenigstens einen Teil der Dienstboten diente, trotzdem aber in den meisten Bauernhäusern auch heute noch als Speicher bezeichnet wird; er war und ist noch vielfach sehr niedrig, die Fensteröffnungen oft genug nicht höher als dreissig Zentimeter. Dient der Speicher als Wohnraum, ganz oder teilweise, so wird der darüber befindliche Raum der oberste Speicher genannt.

Sozusagen alle Bauernhäuser wiesen im Innern dieselbe Einteilung auf. Durch die Mitte des Gebäudes, von der Strasse her, führt der Haus­gang, auf den links die Stube und die Küche münden, rechts die Kammer und eine Vorratskammer, "spenchen". Die Stube war, ausser der Küche, der einzige heizbare Raum, und zwar wurde sie die längste Zeit nicht durch Öfen geheizt, sondern vermittels der Kaminplatte, der Tak, von der Küche aus. Zwischen Stube und Küche, dort, wo in dieser sich der Feuer­herd befand, war nämlich die Mauer durchbrochen; in den untern Teil setzte man die gusseiserne Tak ein, die dann durch das Herdfeuer erwärmt wurde; oberhalb der Tak wurde in die durchbrochene Mauer ein Schrank eingebaut, der "Takeschäf". In der Küche wurden auf dem Herde die Lebensmittel für Menschen und Vieh zubereitet, zum Teil in Töpfen, Tie­geln und Pfannen, die man direkt auf das Herdfeuer stellte, zum Teil in solchen, die in den aus dem Kamin herabreichenden Kesselhaken ange­hängt werden; die meisten dieser Kesselhaken, he'l, sind so eingerichtet, dass man zwei oder drei Töpfe zugleich über das Feuer hängen kann, ein­zelne sind auf vier, fünf, sechs Töpfe eingerichtet, alle aber so, dass man die Töpfe je nach Belieben höher oder niedriger hängen kann.

Die der Stube gegenüber liegende Kammer dient als Schlafraum, war aber vor der Einführung der Eisenöfen nie geheizt. Möbel gab es wenig; in der Stube und Küche ein Tisch und um die Wand herumgehende Bänke, seltener Stühle oder Schemel, in der Kam­mer die Betten, ausnahmsweise ein Schrank, gewöhnlicher Kisten und Schreine für die Aufbewahrung der Leinwand, der Kleider und der sonsti­gen Hausgeräte. Diese waren im grossen Ganzen wenig zahlreich, woge­gen man mehr Wert auf alles legte, was zum Ackerbau diente. Nichts kann dieses und den Unterschied zwischen heute und früher besser beweisen als die Möbelinventare der vergangenen Zeiten, von denen ich zwei mit­teilen will und zwar in der Form, in der sie niedergeschrieben worden sind.


Das erste Inventar, aus dem Jahre 1780, zählt die Hinterlassenschaft eines Hofmannes aus der Echternacher Gegend auf: "vier lehnestühle, zwei chapellen (Schemel, escabeau), sechs stühle, zwei eisen kessel, ein eisen düppen, zwei kupfer kesseltgen und eine tartenpfann, zwei kupfer kessel, eine graypfan, ölpath und ein massschoppen, bauchkessel, drei ampfeln, ein greypfan sambt schübgen, zwei kochleffeln und schaumleffel, zwei couvertplat (couvre-plat) und alten rost, ein roost, zwei kupfermar­mit, ein kupfer düppen, ein rap und oligpat, zwei bollen und ein deckel von kupfer, ein kessel und seibecken von kupfer, fünf stück als lanter, trüchter und eisengeschire, ein irtzel, noch ein marmit, ein casserol, ein kupfer boll, ein grosser eisen kessel, eine pfankuchspan, ein eisen düpfgen, ein eisen diegel, ein dreifuss, eine bratpfan, ein wagen, vier keler sambt streng, zwei keler sambt achtergeschier, ein alter keler, eine uftrag, eine hals, ein paar sträng, zwei halfter, ein rück- und bauchgurt, ein keler sambt achtergezeug, ochsenriemen, einige schleifketten, drei spehrketten, ein plochwagen, eine geheckbanck, eine drumseeg, ein cappusbied mit eisen reife, eine bauchbüde, zwei faass mit eisen reif, zwei fuderichfaas (Fuder­fässer) mit eisen reife, eine cappusbüde, ein pferdpfals, einen zaum, ein schmehrfaass, ein alter sattel, ein fässgen, drei haigelen (he'l) und zwei greife, drei düppen, ein eisen dreifuss, ein spad und ein kerscheltgen (Diminutif von karst), zwei steinen düpfen, ein bratspiss sambt füss, aller­hand alt eisen, eine kasserol, ein eisen diegelgen, eine zinnerne kahn, ein krautstein, eine tortenpfan, ein bradendüpfen, eine giesz, spadenbreder und ein spad, drei sichelen, klopgezeig, zwei sinsen, eine krum, ein streich­eimer, zwei eimer, eine seeg, ein tetier, zwei ronde dische, ein grosse waag sambt balcken und gewichter, drei lange dische, fünf bänck, ein holtzer­ner fauteille, drei brech, der grosse wahn, zwei handwahn, ein grosser wahn sambt reider, zwei stubenofen, eine bauchpfan, ein salva venia schweinstroch, ein troch, ein teimer, eine bierenmühl sambt kelter, ein lei­ter, der grosse disch in der stub, die lischbäum, zwei sommerleitern, ein mull im backhaus." Von Betten und Leinen geht keine Rede, wahrschein­lich weil der abziehende Hofmann diese mit in seine neue Heimat hin­übernimmt.

An die Mosel führt uns ein Inventar, vom 11. August 1767, der Mobilien, welche Maria-Katharina Cohlen, Witwe erster Ehe von Niko­laus Spanier und in zweiter Ehe Frau von Johann May, von Ehnen, hinter­lassen hat: Sie besass vor ihrem Tode ihr Haus, fünf Gärten, elf Stücke Ackerland, vier Wiesen und fünf Weingärten, auf denen nur 117 Reichs­taler 12 Stüber, ein Malter Weizen, ebensoviel Roggen, und die Kosten für das Begräbnis und das Begängnis lasteten. Die Verstorbene war daher kei­neswegs arm, vielmehr ziemlich begütert. Man findet nach ihrem Tode in der Küche an Eisengeschirr "eine eiserne haal, ein paar eiserne brandruthen, ein feurzang, ein eisene schüp, ein pfannenkochspfann, ein eisene greif­pfan, ein kochlöffel, ein scheimlöffel, zwei fleischgreif, ein bratlöffel, ein rost, ein beil zum hacken, ein blechen lamp, ein kleinen kessel, ein grö­sseren schweinskessel, ein grossem kessel zum bauchen, vier eisene düp­pen verschiedener gattung, davon das grösste ein halben sester oder etwas mehr halten mag, 2 eimer mit eisenem beschlag, ein kuffer boll mit eise­nem griff, ein holzene kuwel, ein alten kuffer kessel, klein, ein steinerne suppenschüssel und eine irdene, eine weidene korb, 2 erden plättel. In der stuben ein eisenen stubenofen, ein gebrochenen eisen krautstein, ein dan­nen backmull sambt deckel, eine dannene banck, ein blechene alt lantern ohne thür, ein erdene bartschüssel, ein steinerne portion und ein halb­mässig und ein mässigen steinen krug und ein schoppen krug, ein teller von feantz, zwei zinnen salzkann, ein gross und ein klein, ein zinnene weihwasserskessel, zwei gläser, ein blechen triechter und ein blechen giess, drei holzene sesseln, ein dannene betlad, worauf gelegen ein neue wollene decken, ein alten strohsack und ein alt zerflicktes leinen zeich mit ospen gefüllt dienend anstatt eines bet, zwei alte pülfen, fünf milchdüppen von stein und ein essigkrug. In der spintgen ein alt betlad, ein alt rombfass, eine ofenschüss mit ofenkies, ein alt chriesch biedgen. 

Item auf im ingang an der trappen ein mistgreif, ein heuwgabel, ein eisen beil, zwei eisene käsch. Neben diesem gang zum eingang zur kamer neben der stuben ohngefehr ein tausend heuw, drei dannen hotten, ein alten korb, ein haspel, ein kron, ein schwingstock. In der kammer über die stub ein kleinen wann, ein alt feder­betgen von kölschzeug, ein wasserfässgen und eins nur mit einem bodem, zwei alte spinräder, ein hechel, ein alt weiden korb mit etwas flachsen ospen und ein par reisten flax, ein alt fäsgen, ein geflochtene mass von stroh, ein zinnene kompf, drei zinnen eslöffel, ein halb duzend zinnene tel­leren, zwei ohngefehr drei- ad viermässige steinene kunckelen, ein holzene lad, eine eichene kist ohne schlüssel u. schlos, worin zwei weiberhembder und zwei tüschtücher, vier öspen leilacher, noch ein klein alt kistgen sambt schlüssel und schloss, worin ein weidene korb mit einem anderen kleinen, u. ein klein wachsstock, u. einen klaul zwirn u. drei kleinen klaulen wollen­garn, ein klein holzen lad, ein ander korbgen warin zwei batzel flax. Im keller ein schneidbank, ein halbfouderfass, ein klein essigsfäsgen und ein kelterbied. Im kelterhaus über dem keller ein kelter sambt zubehör, zwei halbfouderige bieden, ein zweiähmig faas mit seinem bodem, 2 alte fou­derfass saambt ihren bödem, ein ahmfass so neuw, zwei halbohmigfass, alle mit bodem, zwei dragbaum, ein brech, ein alt dännen baumleiter, ein sensel mit ihrem wurf, ein hauwkrum und ein beilen, ein alt kelterseil, ein alt stiechleiter, ein gartenheil und ein mistkarst, ein stosskumpf und zwei stosser."


An Kleidungsstücken sind ausgeliehen oder verschenkt worden ein abgetragenes schwarzes Kleid "mit einem reisten schurztuch", ein alter schwarzwollener Rock, ein blauer Rock und eine Schleierhaube, drei alte Hemden und 25 oder 26 Ellen Tuch bei dem Weber. Die Verstorbene ist mit dem besten Halstuch, dem besten Hemd und dem besten "leilacke" be­graben worden.

Auffällig bei diesen und den meisten anderen Inventaren der geschil­derten Art ist der Armut an Essgeschirr: Löffeln, Messern und Gabeln, sowie Tellern, Näpfen und Töpfen; dasselbe tritt übrigens auch in Er­scheinung in den Akten, wodurch die Mitgift und das Altenteil näher bezeichnet werden. Gabeln scheinen noch im achtzehnten Jahrhundert sehr selten gewesen zu sein, man brauchte sie eben nicht, denn morgens gab es in der Regel Brei, oder Sterz von Heidekornmehl, mittags Suppe und abends Mus. Den Löffel, gewöhnlich aus Buchsbaum, und das Messer trug jeder in der Tasche. In sehr vielen Häusern assen alle zusammen aus einer Schüssel, wobei sorgfältig darauf geachtet wurde, dass nicht etwa ein Vielfrass dabei die anderen zu übervorteilen suchte; in anderen Fällen war vor dem Sitz eines jeden Familienangehörigen eine tellerartige Vertiefung in die sehr dicke Tischplatte eingeschnitten, die nach dem Essen kaum anders als mit Brotschnitten ausgeleckt und gereinigt wurde. Das Essen war unter gewöhnlichen Verhältnissen sehr einfach; selten wurde frisches Fleisch gegessen, meistens gesalzenes oder geräuchertes, desto mehr aber die Hülsenfrüchte, Erbsen und Bohnen, die Getreidearten, besonders Hir­se (hessenbrei), Speit, Roggen, Weizen, Hafer, Gerste und Wildkorn, sei es in der Form von Suppen, von Brei oder von Sterz; seit dem achtzehnten Jahrhundert kam die Kartoffel immer mehr in allgemeinen Gebrauch, bis sie bei armen Leuten die einzige Nahrung wurde. Natürlich wurde auch viel Brot verzehrt, und viel Käse. Dass bei besonderen Gelegenheiten auch bessere, meistens sehr stark gewürzte Speisen aufgetischt wurden, war selbstverständlich; letzteres, weil die starken Gewürze den Durst erregten und wer nicht bei solchen Gelegenheiten einen recht starken Durst mit­brachte, passte nicht in die Gesellschaft.

Die gewöhnliche Kost des Bauern lernen wir aus den Schöffenweistümern kennen, welche die den Bauern bei Gelegenheit der Frohnden gelieferten Nahrungsmittel aufzählen, die aussergewöhnliche aus den den Schöffen gegebenen Essen, welche eben­falls durch die Weistümer erwähnt werden.

Für die Frohnessen werde ich mich begnügen, besonders diejenigen der in dem Archiv von Ansenburg erhaltenen Weistümer mitzuteilen. Nach einem Weistum von Everlingen, vom 25. November 1677, erhalten die Pflüger und diejenigen, welche bei der Heu-, Korn- und Haferernte den Schnittern helfen, zwei Mutschen, jede von einem Pfund; die Schnit­ter selbst erhalten neben den Mutschen Speck, Erbsen, Suppe und dicke Milch Die Fröhner von Heispelt (Weistum von 1683), die einen Tag roden und einen Tag schneiden müssen, erhalten das Mittagsessen "in haus­mannskost" und das Morgen- und Abendbrot mit Käse.


Die Einwohner von Keispelt (1652), die das Heu in dem Brüll und der grossen Dondelin­ger Wiese "zehden", erhalten jeder eine Mutsch Brot, wenn sie das Heu in Haufen zusammenlegen, morgens Käse und Brot, mittags "den kosten", abends Käse und Brot und nachts eine Mutsch; die das Heu nach Ansen­burg führen, von jedem "hausten" zwei Mutschen und "den kosten" Zu Aspelt erhalten die Mäher Suppe, Käs und Brot und zum Morgen- und Abend­essen "gebührlichen kosten", diejenigen, die das Heu bereiten und heim­führen "gebührlichen hausmannskosten". Wenn die Pflüger zu Besch abends ausgespannt haben, gibt man ihnen die gewöhnliche Arbeiterkost, aber keinen Wein, doch "soll man eim jeden ploech (also nicht dem einzel­nen Fröhner) einen sester Bescher massen an seinen zinsen abschlagen "oder in seinen sack geben mit im zu dragen"; zur Brach erhalten sie nur "brots und Borns genug"; die Mäher erhalten Käse und Brot, Knoblauch und Wasser. Bei der Heuernte zu Hagelsdorf müssen die Fröhner das Heu in fünf Haufen zusammenbringen; haben sie deren zwei und einen halben gemacht, so erhalten sie Käse, Brot und Knoblauch "in redlichen massen", können aber dann mit der Arbeit aufhören, wenn das nicht geschieht.

Zu Linster erhalten die Fröhner bei jeder Art von Ernte täglich "des morgens ein sop, ein stück kees und ein stück brots, gleich dem kees gross, und ein becher mit bier; nach mittag aber oder wenn sie ihre frönd volnbracht haben, einem jeden ein schüssel mit muss, ein schüssel mit erbessen, ein stückelgen specks, ein stück kees, jederem ein weiss- und ein rocken­mutsch, dem stalen gleich, so man von alters hat, einem jederen ein becher mit biers und ein becher mit weins und weiters nicht". Zu Lintgen erhal­ten die Pflüger für den Pflug zwei Mutschen und für die Egge eine und beide zusammen zwei Sester Bier "und darzu borns genoech, desselbigen davon die gemeine drinckt". Zu Sassenheim erhalten die Fröhner, wenn sie wie vorgeschrieben jeder zwei Fuder Heu aufs Schloss geführt haben, Käse und Brot, zum Morgenessen eine Suppe, ein Paar Eier, ein Stück Käse und ein Stück Weissbrot, zum Mittagessen Speck und Erbsen, ein Stück Rindfleisch und Milch, abends eine Mutsch, deren acht aus einem Sester Korn gebacken werden, und ein Stück Käse; die Kornschneider erhalten dasselbe, nur mittags statt des Rindfleisches Milch mit einem Stück Brot darin. Zu Schönfels, wo die Frauen die Schafe waschen und scheeren müssen, erhalten sie morgens Suppe und Brei, mittags Suppe, Fleisch und Wein oder Bier, zu je fünfen einen Eierkäse, den man Schaf­kirmes nennt, und wenn sie noch nach Mittag arbeiten, die Kost wie das Gesinde. In derselben Herrschaft erhalten die Untertanen nach Abliefe­rung ihrer Renten, immer je vier, eine Schüssel Erbsen mit einem Stück Speck darin, eine Schüssel Suppe, eine Schüssel mit Rindfleisch, eine andere mit Pfeffer, eine andere mit gelber Brühe (Sauce aus Safran) und darin ein Stück frisches Schweinefleisch, und dazu Wein "in ziemlicher maszen;" wenn aber der Ablieferungstag der Renten, S. Stephan, auf einen Freitag oder Samstag fällt, so erhalten sie Erbsen, jeder zwei Häringe, statt des Fleisches Stockfisch, Pfeffer, Käse, gelbe Brühe und Wein.

Bei den Scheffenessen, d. h. denjenigen, welche dem Gericht durch die Herren jährlich bei besonderen Gelegenheiten und von dem neu ein­tretenden Schöffen bei seinem Amtsantritt gegeben wurden, ging es na­türlich ganz anders zu, der Bauer liebte es nicht nur, recht viel und recht gut zu essen, wenn es ihn nichts kostete, er liebte es, nachher das aufge­tischte Essen zu bekritteln und zu bemängelen und, wenn die Mehrheit einverstanden war, statt des ungenügend erachteten Essens ein zweites zu fordern; einzelne Weistümer stellen als Bedingung vor dem Essen ein förmliches Probeessen fest, nach dem Banquet, wenn dieses ungenügend erfunden werde, das Anrichten eines zweiten, so dass der Gastgeber gra­dezu der Willkür seiner Gäste ausgeliefert war. Daher wird auch in den Weistümern für solche Schöffenessen der Speisezettel ein für allemal fest­gesetzt, von dem unter keiner Bedingung abgewichen werden durfte.


Zu Besch (1542) erhalten die Schöffen mit ihren Weibern am Sonn­tag nach Dreikönigstag zweierlei Weizenbrot, zweierlei Wein, gute Erbsen mit Speck, Rindfleisch mit Senf (moestart), Braten mit Knoblauch, Schweinefleisch mit gelber Brühe und Reis mit Kuhmilch; das Getränk ist nicht erwähnt. Zu Hagelsdorf bei Betzdorf (1596) erhalten die Schöffen, der Meyer und der Bote mit ihren Frauen Rindfleisch mit Senf, Schweine­fleisch mit Brühe, zu je zweien ein gekochtes Huhn, Reis und Schweine­braten mit einer Sauce, Käse, Brot, Wein "sonder lack" (ohne Mangel) und ein Feuer ohne Rauch, d. h ein geheiztes Zimmer ohne Rauch. Zu Olingen (1545) gilt folgender Speisezettel: Erbsen mit Speck, Rindfleisch mit Senf, "bruelinck" mit gelber Brühe (Safransauce), Reis mit "polver", d.h. mit gestosse­nem Zimmet, Brathühner und Schweinsbraten, zweierlei Mus, zweierlei Brot, zweierlei Käse, zweierlei Birnen, u. Wein. Zu Rodenborn (1568) ist der Speisezettel einigermassen anders: Erbsen und Speck, Rindfleisch mit Senf, "bruelinck" mit gelber Brühe, Hühner mit gelber Brühe, gebraten "brue­linck" und gebratene Hühner, Reis mit "canele" bestreut, gebratene Birnen mit Fenchel, Presskäse und Butterkuchen, von allem "genoch", d. h. soviel, dass die Gäste sich mit dem ihnen vorgesetzten Quantum zufrieden erklären.

Gewöhnlich wird bei solchen Gelegenheiten nicht erwähnt, wieviel Wein oder Bier den Gästen zustehe; wurden auch diese aufgetischt, bis die Gäste genug hatten? Wenn das der Fall war, und es verhielt sich dem anscheinend so, wie wir gleich sehen werden, so war es ein Glück für den Gastgeber, dass wenigstens die Zeit begrenzt war, denn sonst wäre er wohl gleich bei Antritt seines Amtes von Haus u. Hof weggesoffen wor­den. Die deutsche und die niederländische Kunst haben eine grosse An­zahl von Gemälden und Holzschnitten mit der Darstellung von Bauern­kirmessen und -hochzeiten geschaffen, auf denen als charakter-istische Figur selten der Bauer fehlt, der den Überschuss dessen, was er genossen, wieder von sich gibt, um dann, wenn nur irgend möglich, wieder von vorn anzufangen. Dass es bei unsern Bauern der früheren Zeiten nicht besser war, lehrt uns die heutige Erfahrung. Bezeichnend dafür ist das Weistum von Eich (1597): der neue Schöffe ist zunächst dem Gericht und dem Amtmann nach der Eidesleistung eine ziemliche Mahlzeit zu geben schuldig, die man die Suppe nennt; am folgenden Tag denselben und deren Weibern das Morgenessen mit zweierlei Wein "und sonsten gebra­ten und gesotten, (dass) das essen kan vur gnügsam erkent werden, "nach welchem erkentnus sie wiederum nider zu sitzen macht haben und soviel zu drinken inen geliebt"; am dritten Tag erhalten die Gerichtsleute allein, nicht aber ihre Frauen, ein Morgenessen, "wozu ein jeder gerichtsman ein pilliges oder ein mass wein zu steuwer zum wein giebt".

Die Nahrung der Bauern war nach dem Vorhergehenden zu schlie­ssen eine andere als heute, wo zunächst die Kartoffel eine ganze Menge der früheren Nahrungsmittel verdrängt hat und anderseits, seit annähernd einem Jahrhundert, der Morgenkaffee die bis dahin als erste Mahlzeit gebräuchliche Suppe oder den Sterz ersetzt hat. Fast alleinige Speisen waren die verschiedenen Breiarten aus Hirse, Hafer oder Gerstengraupen, die gedörrten Hülsenfrüchte und örtlich das Wildkorn, sei es in Form von Sterz oder von Pfannkuchen, daneben natürlich die rohe oder geronnene Milch, "Brach". Fleisch kam selbst in einem grossen Teil des neunzehnten Jahrhunderts, sogar bei besseren Bauern, in der Regel nur zweimal auf den Tisch, frisches Fleisch nur, wenn eben ein Stück Vieh geschlachtet wor­den, sonst das ganze Jahr hindurch nur Rauchfleisch oder gesalzenes Fleisch. Kalbersch, in seinem Werke: Gebrauch und Missbrauch geistiger Getränke (II 356) gibt an, wie die Bewohner von Erpeldingen bei Ettel­brück sich ernähren, wo er Pfarrer war, und welches heutzutage zu den besten unserer Dörfer gehört, und zwar für das Jahr 1852. Als Ausgangs­punkt nimmt er einen Satz, der am 19. Oktober 1852 in der Deputiertenkammer zu Luxemburg gesprochen wurde: "Unsere Taglöhner, die mei­sten unserer kleinen Bauern sind froh, zwei oder dreimal wöchentlich Fleisch zur Mahlzeit zu haben, während unsere Gefangenen dessen wö­chentlich viermal essen". Er stellt fest, wieviel Essfleisch in dem betreffen­den Jahre zu Erpeldingen geschlachtet wurde, im Durchschnitt für jeden der 562 Einwohner 293/4 Pfund auf das Jahr, aber so, dass in 19 Häusern nicht geschlachtet wurde, also auch kein Fleisch vorhanden war, dass in 23 andern Häusern zwölf Pfund auf den Kopf fielen, in anderen 20 Häu­sern 27 Pfund; wieviel aber wöchentlich auf die übrigen sechzehn, ver­möglicheren Häuser kam, gibt er nicht an und kann auch aus den von ihm mitgeteilten Daten nicht ermittelt werden. In bezug auf die sonstige Nah­rung teilt er die Bevölkerung in fünf Klassen ein (ich gebe seine Zusam­menstellung wörtlich): "Die Haupt-, das ist die allgemeinste Nahrung unserer Landleute, sind Grundbirnen, Brod und Milch. Die erste Klasse hat in der angeführten Hauptnahrung Überfluss, isset auch in der Woche ein- oder zweimal Fleisch. Zu dieser Klasse gehören zehn Häuser. Die zweite Klasse hat an der Hauptnahrung eine Genügsamkeit, aber nicht immer Milch, und an einigen Sonntagen Fleisch. Zu ihr gehören elf Häu­ser. In die dritte Klasse kommen 37 Häuser. In gesegneten Jahren haben sie Kartoffeln genug. Das Brot muss gespart werden. Zwei Drittel des Jahres haben sie mehr oder weniger Milch. In der Regel schlachtet jedes dieser Häuser ein Schweinchen. In die vierte Klasse stellen sich 24 Fami­lien. Diese haben auch in glücklichen Jahren Grundbirnen zu wenig. Ihr in Fleiss und Schweiss gewonnenes Brot könnten sie bei der Sparsamkeit im halben Jahre essen. Ans Fleischessen darf nicht gedacht werden, haben doch Milch, so viel eine hungrige Kuh gibt. Zur fünften und letzten Klasse zähle ich fünf Familien. Die leben hauptsächlich von der christli­chen Barmherzigkeit."


Das hervorragendste Nahrungsmittel, vor der Einführung der Kar­toffel, war das Brot. Als solches wurde fast nur Roggen- oder schwarzes Brot gegessen, das allenthalben im Bannofen gebacken werden musste, und zwar gewöhnlich derart, dass, wie es noch heute dort üblich ist, wo keine Bäckerläden bestehen, der Bauer jedesmal einen ganzen Ofen voll auf einmal backen liess, also einen Vorrat auf mehrere Wochen anlegte. Weissbrot herzustellen war gewöhnlich nur den Wirten gegen eine beson­dere Abgabe erlaubt, die dafür in ihrem Hause einen Backofen zur Her­stellung dieses Brotes, sowie von Kuchen, Torten und Fladen hatten; die­ser durfte aber über eine bestimmte Grösse nicht hinausgehen.

Die Brotlaibe waren gewöhnlich sehr gross; solche von zehn Pfund waren die gewöhnlicheren, doch gab es auch solche, für deren Herstellung ein ganzer Sester Korn erfordert war, die demnach bis an zwanzig Pfund schwer waren, gross wie ein Pflugrad, sagt das Sprichwort, oder, wie ein Weistum sagt: Wenn dem Fröhner beim Pflügen ein Rad breche, so solle er dieses durch ein Brot ersetzen u. dann weiter pflügen, bis dieses abge­nutzt sei. Die kleineren Brote, wie sie namentlich den frohnenden Bauern bei oder nach der Arbeit geliefert wurden, hiessen gewöhnlich Mutschen, zu Dalheim "meuten" zu Lintgen "mütten", seltener Semmeln. Über ihre Grösse bemerken die Weistümer von Berburg, sie müssten so gross sein, dass, wenn man den Daumen in die Mitte setze, man mit den Fingerspitzen den äussern Rand an allen Ecken erreiche; daher rührt auch wohl die heute noch vielfach beobachtete Sitte, in die Mitte der Oberfläche der nament­lich kleineren Brote mit einem Finger ein Loch einzudrücken; nach ande­ren Angaben müssen sie ein Pfund wiegen. Zu Dalheim nimmt man für ihre Herstellung Mischlerfrucht, zwei Drittel Roggen und ein Drittel Weizen.

Wie sehr das Brot als Hauptnahrung gilt, geht aus den vielfachen, religiösen, zum Teil abergläubischen Gebräuchen hervor, die mit demsel­ben verknüpft sind. Ed. de la Fontaine, in seinen luxemburger Sitten und Bräuchen (S. 102) bemerkt dazu: "Schon bei der Bereitung des Sauerteiges macht die Hausfrau denselben mit dem Zeichen des Kreuzes. In der luxemburgischen Eifel erhält das erste „Brod“, welches in den Ofen kommt, ein Kreuz eingedrückt und heisst das Kreuzbrod; dasselbe wird zuletzt gegessen". In der Viandener Gegend wurde lang auf jedes einzelne Brot aus etwas gerolltem Teig ein Kreuz aufgelegt oder mittels des Messers in den Teig ein Kreuz gemacht. "Niemals wird ein Brot angeschnitten, ohne dass man mittels des Messers, doch ohne zu schneiden, auf die flache Seite ein Kreuz macht. Allgemein gilt es bei unseren Landleuten als eine unver­zeihliche Rohheit das Brot auf den Rücken, d. h. auf die gerundete, statt auf die flache Seite zu legen. Edelleuten, die sich vergangen hatten, wurde das Tischtuch zerschnitten und das Brot verkehrt gelegt". "Das am Charfrei­tag gebackene Brot ist heilig; wer davon isst, wird selig" Wenn auf Mariä Himmelfahrt, "Liffraweschdach", der Krautbüschel, "Wesch", gesegnet ist, werden die darin enthaltenen Fruchtähren ausgekörnt u diese Samen in den Kornhaufen gemischt, damit das tägliche Brot und die zukünftige Saat gesegnet sei . Am Hubertustage wird in der Kirche von Hassel, Salz, Brot und Hafer als Mittel gegen die Tollwut gesegnet; von dem Brot erhalten Menschen und Vieh ein Stückchen zum Essen, den Rest nimmt man auf Reisen mit. Dieses Brot besitzt die Eigenschaft, niemals schimme­lig zu werden. Noch im neunzehnten Jahrhundert, vielleicht auch heute, liess man besondere Hubertusbrötchen in der Gestalt eines Huber­tushörnchens backen und segnen; wer ein solches bei sich trug, war vor den Bissen der tollen Hunde und vor der Tollwut sicher. "Bei unsern Bauern bestand der uralte Brauch, den in ein Tuch eingewickelten Brotlaib stets auf dem Stubentisch liegen zu lassen und alle auf Besuch ein­tretenden Fremden zu bitten, das Hausbrot zu versuchen".

Die kleineren Wecken von Brot, wie sie auch zur Zeit noch herge­stellt werden, erinneren zum Teil durch ihre Form und ihren Namen an sexuelle Verhältnisse, bei deren Bezeichnung unser Landvolk bekanntlich keineswegs prüde und zurückhaltend ist. Ich will ihrem Beispiel nicht fol­gen und nur bemerken, dass auf Weihnachten Pate und Patin ihrem Pa­tenkinde das "kendel" Kindel, zu schenken pflegten, das ist ein Backwerk von unförmlicher Kindleingestalt.

                                                   

Die Nahrung des Volkes hat sich im Laufe der Zeiten wesentlich geändert und zwar in dem Masse, wie neue Nährpflanzen eingeführt wur­den. So erscheint urkundlich in unseren Gegenden, und zwar zuerst im neunten Jahrhundert, der Weizen, woraus freilich nicht geschlossen wer­den kann, dass er erst damals eingeführt wurde; das Prümer Urbar des genannten Jahrhunderts kennt ihn zu Remich und zu Beuren. Dasjenige von S. Maximin, aus dem elften Jahrhundert, kennt den Weizenbau auch schon für Mersch, Olingen, Manternach, Mertert, Wasserliesch, Wincheringen, Apach und Besch, Frisingen u. die benachbarten Ortschaften. Bis dahin war der Spelz, epeautre, die bessere Körnerfrucht neben Roggen, Hafer und Gerste und ist es, namentlich in dem belgischen Luxemburg, mit Ausschluss des Weizens, bis in den Anfang der neuen Zeit geblieben; später wurde er allenthalben mehr und mehr durch den Weizen verdrängt, der nach seinem lateinischen Namen "frumentum" zu urteilen (man verglei­che das französische froment) aus Frankreich herüber kam.


Viel später, nach den einen im vierzehnten, nach andern erst im sechzehnten Jahrhundert erscheint das Heide- oder Wildkorn, der Buchweizen; er wurde anschei­nend, worauf der französische Name "sarrazzin" hindeutet, durch die Mauren oder spanischen Sarrazenen nach Frankreich gebracht, von wo er dann zu uns kam; ich finde ihn zum ersten Mal in einem Weistum von Linster vom Jahre 1552 erwähnt, und zwar so, dass man auf einen schon langjäh­rigen Anbau desselben schliessen kann. Die Erschliessung des amerikani­schen Kontinentes durch Kolumbus brachte den Mais und die Kartoffel; der erste dient bei uns nicht zur Volksernährung, sondern nur als Viehfut­ter, wird aber aus der Fremde importiert, da er nur zur Verwendung als Grünfutter und noch dazu in wenig ausgedehntem Masse angebaut wird. Anders die Kartoffel; schon im Beginn des sechzehnten Jahrhunderts wurde sie zwar schon in einzelnen botanischen Gärten als botanische Selt­samkeit gezogen, aber es dauerte bis tief ins achtzehnte Jahrhundert, ehe sie allenthalben in allgemeinen Gebrauch kam. Wahrscheinlich ist sie ins Herzogtum Luxemburg gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts einge­führt worden, wie wir aus einer Reihe von Prozessen über den Kartoffel­zehnten ersehen.

In gewöhnlichen Zeiten genügten die Erzeugnisse des Ackerbaues und der Viehzucht vollauf für die Bedürfnisse der Bevölkerung; in guten Jahren konnten sogar erhebliche Mengen ausgeführt werden. Aber wenn infolge atmosphärischer Einflüsse Miswachs eintrat oder wenn unter dem Einfluss der barbarischen Kriegführung der vergangenen Jahrhunderte Feind und Freund gleichermassen die heimgesuchten Gegenden verheer­ten, alles plünderten, und meistens alles zerstörten, was sie nicht selbst essen oder mitnehmen konnten, besonders in den unseligen Zeiten des dreissigjährigen Krieges, namentlich dann, wenn Fehlernten und Kriegs­verwüstungen zugleich eintrafen, sah sich die Bevölkerung mindestens einer masslosen Teuerung, wenn nicht der Hungersnot preisgegeben. Man nimmt für jedes Jahrhundert des Mittelalters und der ersten Jahrhunderte der Neuzeit im Durchschnitt zehn Hungerjahre an, oder wenigstens zehn Jahre aussergewöhnlicher Teuerung. Man war eben nur auf den Ertrag der Körnerfrüchte angewiesen; der Ausfall an diesen konnte nicht, wie es jetzt so häufig geschieht, durch eine reiche Kartoffelernte gedeckt werden. Es war anderseits, wenn nicht wie zuweilen unmöglich, so doch durch den fast vollständigen Mangel an guten Wegen u. Strassen äusserst schwer, durch Einfuhr aus der Fremde, die zudem in Kriegszeiten ausgeschlossen war, aus den benachbarten Gegenden Ersatz zu schaffen. Das wurden dann prachtvolle Jahre für die Kornwucherer, die Getreide gegen Ge­treide ausliehen, derart dass sie für einen Sester Getreide, den sie auslie­hen, sich vielleicht schon zwei Monate später anderthalb oder zwei Sester zurückgeben liessen.


Im Verlauf des siebzehnten Jahrhunderts kostete, nach den von E. Fischer veröffentlichten historischen Notizen über den Zustand der Landwirtschaft im Grossherzogtum Luxemburg (deutsche Cbersetzung von J.-P. Kirsch, S. 106-110), der Roggen in dem wohl­feilsten Jahre, 1604 bis 1606, 2,90 Franken das Hektoliter, der Weizen in denselben Jahren 4,55 Franken das Hektoliter, wobei natürlich nicht ausser Acht zu lassen ist, dass der Kaufwert des Geldes mindestens sechs mal höher als in unsrer Zeit war, wohlverstanden vor dem Kriege, dass das Hektoliter demnach nach dem angegebenen Kaufwerte 17,40 resp. 27,30 Franken kostete; der höchste Preis für den Roggen war der des Jahres 1636: 20,20 Franken das Hektoliter, oder nach dem angeführten Kaufwert des Geldes 121,20 Franken, der Preis des Weizens ist für das Jahr 1636 nicht angegeben; nach Kalbersch (II 15) hätte in demselben Jahre der Weizen 49, der Roggen 42 Stüber den Sester gegolten, oder c. 4,02 resp. 3,45 Franken den Sester, 20,10 resp. 17,25 Franken das Hekto­liter, nach heutigem Gelde demnach das Sechsfache.

Und doch bleiben diese Zahlen, die offiziellen Aktenstücken entlehnt sind, hinter der Wirk­lichkeit zurück; es lehren uns nämlich andere Quellen, die nicht offiziell und eben deshalb glaubwürdiger sind, dass im Jahre 1626 (für welches Fischer das Hektoliter Roggen auf 15,25, das Hektoliter Weizen auf 16,80 Franken berechnet), das Nialter oder ungefähr Doppelhektoliter fünfzig Gulden (c. 41 Franken) kostete, zu Clerf 19 Taler 5 Stüber (c. 47,15 Fran­ken), zu Erpeldingen bei Ettelbrück 24 Taler (c. 59 Franken), zum jetzigen Kaufwert des Geldes kostet demnach das Malter Roggen c. 246 Franken, resp. 282,90 und sogar 354. Welches Elend bei solchen Preisen herrschen musste, liegt auf der Hand. Und dabei litt damals unser Land noch nicht unter den Greueln des dreissigjährigen Krieges, der für unsere Gegenden erst zehn Jahre später im Jahre 1636 begann.

Wenn daher das Volk, als die wirkliche Hungersnot begann, noch so glücklich war, etwas Getreide, einerlei welcher Art, zu besitzen, so ge­brauchte es alle möglichen Streckungsmittel, um bis zum Ende des Elends sein Leben zu fristen: Stroh, gemahlene Baumrinden und Eicheln, selbst Asche; das so hergestellte sogenannte Brot mochte dasselbe Aussehen und denselben Nährwert besitzen, wie jenes, das die Konsumenten des luxem­burger Landes im Jahre 1917 verzehren mussten, während die Produzen­ten gutes Brot in Hülle u. Fülle hatten u. ungezählte Quantitäten des be­sten Weizens ihren Säuen vorwarfen. Daneben griff man zu Suppen, Brei und Mus von Gras und allen möglichen Kräutern, grub allenthalben alle knollenartigen Gewächse aus, ass von Fleisch was nur irgendwie diesem ähnelte, von allen vierfüssigen und kriechenden Tieren, deren man nur habhaft werden konnte. Man verschmähte so wenig das Fleisch von ver­endeten Tieren wie das Menschenfleisch: es wurden häufig die Körper der Hingerichteten vom Galgen oder vom Rade gestohlen, selbst schon begra­bene Leichname wieder ausgegraben; Väter und Mütter töteten und assen die eigenen Kinder, die Kinder die Eltern oder andere nahe Verwandte. Manche von denen, die an diesen ekelhaften Mahlzeiten Teil genommen hatten, verfielen aus Entsetzen über das, wozu die Not sie gezwungen hatte, in Wahnsinn, die anderen vielfach in die schwersten Krankheiten. Die Leute mussten daher, wenn eine ansteckende Krankheit gleichzeitig mit der Hungersnot oder bald nachher ausbrach, zu Tausenden und Tau­senden fallen wie die welken Blätter im Herbste.Die Ernte 

Neben dem Ackerbau und der Viehzucht besass indessen der Bauer noch den Gartenbau, die Obstbäume, die Bienenzucht und die Fischerei, besonders in den Fischweihern, durch welche die tägliche Kost viel an Abwechslung gewann. Es gab kein Bauernhaus, das nicht auch seinen Garten in unmittel­barer Nähe besessen hatte; vermögendere Bauern besassen nicht selten mehrere Gartenparzellen. Die Kenntnis der meisten Gemüsearten, von denen viele ursprünglich wild gewesen und erst allmählich veredelt wor­den waren, verdankt der Bauer in erster Linie den klösterlichen Nieder­lassungen, namentlich der Benediktiner, die nur selten Fleisch geniessen durften und daher auf das Gemüse mehr noch als andere angewiesen wa­ren, aber auch den Verordnungen Kaiser Karls des Grossen, der für die Gärten seiner zahllosen Besitzungen die genauesten Vorschriften über die Gemüsegärten und Medizinalpflanzen erlassen hatte, die auf jeder gezogen werden sollten.


Dass auch die Gärten unsrer zahllosen Burgen, in die sicher mancher Edelmann aus Italien oder dem Morgenlande unbekannte Pflanzen mitgebracht, nicht ohne Einfluss auf die der Bauern sein muss­ten, ist einleuchtend. Man pflanzte vor allem die verschiedenen Arten von Kohl, Rüben, Möhren, Rettig, Meerrettig, Petersilie, Sellerie, Erbsen, Boh­nen, Salat, Zwiebeln, Knoblauch, Wirsing, Winterendivien, seit dem acht­zehnten Jahrhundert überall Kartoffeln; dabei wurde auch immer ein kleiner Raum freigehalten für die Pflege der sogenannten Bauernblumen, namentlich Rosen. Dass man vereinzelt auch die feineren Arten von Erd­beeren, Stachelbeeren und Himbeeren pflegte, zeigen noch heute z. B. an dem Südabhange der Heringerburg entartete Gartenerdbeeren. Überall hatte man auch wenigstens eine kleinere Auswahl der beliebtesten Arznei­kräuter, soweit die Natur diese nicht wild lieferte.

Einen nicht minder bedeutenden Vorteil brachten die Obstbäume. Wann die einzelnen Obstarten bei uns eingeführt wurden, ist unbekannt, dagegen steht fest, dass alle besseren Arten ihre Einführung den Klöstern und den adligen Herren verdanken, indirekt in kleineren Ortschaften der Ortsgeistlichkeit. Im ersten christlichen Jahrhundert fand man in den ver­schiedenen Gegenden Deutschlands nur wilde Äpfel und wilde Birnen vor; bei uns mögen bessere Sorten bereits durch die Kelten angebaut worden sein. Daneben hatte man den Nussbaum, den Mispelbaurn und den fast verschwundenen Spierlingbaum, dessen Andenken sozusagen nur noch in dem Namen des Spierenbranntweins fortlebt. Besonders bedeu­tend war an einzelnen Stellen, wie u. a. zu Vianden schon im vierzehnten Jahrhundert die Zucht des Wallnussbaumes, weil man das Öl nicht nur vielfach zur Herstellung der Speisen gebrauchte, sondern auch zur Spei­sung der Kirchenlampen. Wie bedeutend der Anbau namentlich der Äpfel- und Birnbäume gewesen, geht schon allein aus der Tatsache her­vor, dass man bei uns eine ungeheure Anzahl von Varietäten dieser Obst­arten besitzt, von denen sicher viele auf ein recht ehrwürdiges Alter hin­aufweisen. Diejenigen Obstbäume, die der Bauer in seinen Gärten und Baumgärten zog, waren natürlich sein Eigentum; diejenigen dagegen, die auf der Ackerflur standen, gehörten der ganzen Gemeinde und der jähr­liche Ertrag wurde unter die Gemeinsleute verteilt, es war dies meistens Wildobst, das wohl nur zur Herstellung von Obstwein diente; Birnen­trank wird einigemal in den Rechnungen der Stadt Luxemburg aus dem fünfzehnten Jahrhundert erwähnt. Ein Teil des Obstes wurde natürlich frisch gegessen, sei es nach den Hauptmahlzeiten, sei es für die Neben­mahlzeiten mit einem Stück Brot, ein anderer Teil wurde für die Herstel­lung von Kuchen und Fladen jeder Art benutzt; eigentümlich sind grade für unsere Gegenden die Zwetschenkuchen und die schon selten gewor­denen "Birentietschen" ein dritter eingekocht zu Zwetschen- oder Birnen­kraut, ein grosser Teil endlich wurde getrocknet, um während jener Zeit des Jahres, wo es keinerlei frisches Obstgab, sei es roh, sei es gekocht, verzehrt zu werden. In manchem Bauernhaus hatte man grosse, oft mehrere Malter haltende Holzkisten in welchen der Vorrat an Hutzeln (gebackenen Birnen), Äpfelschnitzeln und gebackenen Zwetschen aufbewahrt wurde.

Auch die Bienenzucht war nicht ohne grossen Wert; es beweisen dieses vor allem die genauen Vorschriften der Weistümer darüber, wem eine gefundene "Bei" oder ein "Vogel" (beides in der Bedeutung von Bienen­schwarm) gehören sollte, sowie der Wabenbau, den man im Walde oder auf der Flur in einem hohlen Baum fand. Wachs und Honig hatten gleich grosse Bedeutung; das Wachs wurde in grossen Mengen in allen Kanz­leien für die Besiegelung der Urkunden gebraucht, und für die Lichter und Fackeln bei gottesdienstlichen Handlungen; in sehr vielen Fällen, nament­lich bei Verfehlungen gegen die Regeln der Innungen und bei den Ver­handlungen vor den Synodalgerichten, wurden Bußen von Wachs auf­erlegt. Der Honig war, so lange nicht der Zucker aus dem Safte des Zuckerrohrs aus Westindien eingeführt wurde, das einzige wirksame Ver­süssungsmittel, das man kannte; er diente daher u. a. zur Herstellung des so zahlreichen und beliebten Arten von Leb- oder Honigkuchen und be­sonders des Methes; von diesem ist nur der Name in der Verbindung süss wie Meth, mitt, auf uns gekommen.

Für die äusserst zahlreichen Abstinenztage der früheren Zeiten, drei, später zwei die Woche (der jetzige Krieg hat sie für die Produzenten ganz aufgehoben, aber für die Konsumenten auf sechs in der Woche und hie und da auf dreizehn in vierzehn Tage erhöht) hatten die besseren Bauern, mehr aber noch die Bürger, Ersatz für das Fleisch in dem Fischreichtum unserer Flüsse und Bäche und besonders der äusserst zahlreichen Weiher. Diese sind heute zum weit aus grösstem Teile längst eingegangen. Man hatte sie an allen Orten angelegt, wo nur ein kleiner Wasserlauf das Tal durchfloss, indem man durch einen einfachen kunstlosen Erdwall (tinsche beim Volke) das Wasser staute und den so entstehenden Weiher mit dem nötigen Satz von Setzlingen besetzte; nur dort, wo wie im Bireler Tale bei Sandweiler grössere Wasserkräfte zur Verfügung standen, wurden die Dämme auch noch teilweise durch Mauerwerk gestärkt u. mit regel­rechten Schleusen versehen. Sehr viele dieser Fischweiher gehörten den adligen Herren, den Klö­stern und namentlich im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert auch einzelnen Privatpersonen; andere gehörten den Bauerngemeinden und, wenn auch ihr Fischreichtum wohl selten von den Bauern direkt ausge­nutzt wurde, so dienten sie doch in wesentlicher Weise zur Verbesserung der Dorffinanzen, indem die Gemeinden sie entweder verpfändeten und sich auf diese Weise grössere Kapitalien erwarben, deren sie augenblick­lich bedurften, oder sie auf eine bestimmte Reihe von Jahren vermieteten. Gewöhnlich werden die Weiher auf sumpfigem, mehr oder weniger wertlosem Boden angelegt, so dass die Gemeinden aus ihnen in Zukunft sie berühren die Verhältnisse früherer Zeiten nicht. So bleibt mir daher nur übrig, aus der deutschen Literatur einige Auszüge mitzuteilen, die die Verhältnisse der deutschen Bauern zum Teil ausführlich schildern und zwar, bis auf Einzelheiten, so wie wenn die Verfasser unsere Bauern bei ihrer Darstellung im Auge gehabt hätten.


 die ungeheuren Anforderungen, die man an den Bauern stellte, in folgenden Versen:

Stets muss zum Schutz der Haut er geben und kann kaum bleiben bei dem Pflug; Mit Zins und Zehnt ist's nicht genug

Er muss verzollen, was da sein . . .

Der Zins und Steuern grosse Macht, die von der Obrigkeit erdacht, Zölle, hilf in aller Welt,

Weinzoll und Brückenzoll,Wachen, Hüten, Schenken, Reisen,

Die machen leider Witwen und Waisen, im Tod will man den Erbfall noch.

Sie trachten, wie die Elster thut, stets nach des armen Bauern Gut. Er muss kurzum nun in den Sack und geben, wenn er's auch nicht vermag. Hat ihm gelegt ein Ei sein Huhn,

da weiss Bescheid der Bauer nun, dass er mir soll das Dotter geben, vom Eiweiss meine Frau soll leben — Die Schale esse er daneben.

Soviel an Zoll ist aufgetragen,

dass weit und breit die Bauern klagen. Vom Lehen kann er leben schwerlich, verlangt der Pfaden Zehnt begehrlich, wiewohl jetz und in manchem Land der Zehnte ist in Laienhand.

Und wenn der Lai hat geschoren, dann wird der Pfaffenstand erkoren:

Der will den armen Mann erst schinden, ob er auch kann ein Bisslein finden, Opferpfennig und Beichtgeld geben, den Pfaffen füttern noch daneben.

Das Taufgeld will man ihm nicht schenken, Die Orden muss er auch bedenken.

Man schreibt ihm seinen Namen ein: Dafür giebt er ein Fuder Wein;

Da liest man ihm noch täglich Messen. Wen sie's durch Zufall nicht vergessen. Messgeld, Siebent, Achtunddreissig, Die Fristen will er haben fleissig. Danach muss er eine Stiftung machen, vier Opfer hören zu diesen Sachen.

Dann kömmt der Mönch auch mit dem Sack und der Bauer giebt, was er vermag, Weizen, Korn und Käs' und Zwiebel,

Giebt er nicht, der Mönch blickt übel. Dann heischet man auch zu dem Bau, der Thenger, der begehrt die Sau.

 Dann kommt Sankt Velten und Stationierer, Bettler, Tolle und Vagierer;

Die Bettlerin die Leier stimmt,

der fahrende Schüler kommt und nimmt, erst kommen Donner, Hagel, Schnee und tun den armen Leuten weh,

Dem Kriegsmann ist auch stets zu geben; Wie kann der arme Bauer leben?

 Sebastian Brandts Narrenschiff, im 82. Abschnitt "vom bäurischen Aufwand", schildert den Charakter des Bauern seiner Zeit in einer Weise, die nur zu sehr auf unsere Verhältnisse während der Kriegsjahre passt:

 Der Bauer jetzt das Stadtvolk lehrt, wie es in Bosheit wird gemehrt;

Von den Bauern kommt jetzt aller Schund, Sie haben täglich neuen Fund.

Keine Einfalt steckt mehr in der Welt, die Bauern stecken ganz voll Geld, Sie speichern Wein und Weizen auf und andres und erschweren den Kauf und machen es so lange teuer,

bis Blitz und Donner kommt mit Feuer und ihnen abbrennt Korn und Scheuer.

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