Unsere Familiennamen
In den Jahren 1388 und 1390 sind, selbst unter den Bürgern der Hauptstadt, die Familiennamen eine seltene Ausnahme. Schon in den Stadtrechnungen des Jahres 1463 auf 1464 liegt indessen die Sache anders; hier treffen wir allerdings noch immer eine grosse Zahl einfacher Vornamen, aber doch bereits eine grössere Anzahl von wirklichen Familiennamen, die wir als solche in dieser und der darauffolgenden Zeit belegen können: Peter Angelt (ohne Geld), Konrad Krüger, Johann von Vianden, Heine Oslinger, Bischof, von Kontern, von Arle, Thielmanni, Mohr, Baumeister, Klopstein, von Itzig, Turnerei, Ruter, Goldschmied, von Bilstein, Nlulrepesch, Wieshaupt, Wolf, Grossman etc. Der Drang, wirkliche Familiennamen zu tragen und zu bilden, macht sich seit der Zeit immer mehr fühlbar, ganz besonders in den grösseren Ortschaften, und wenn auch das niedere Volk sich noch sehr lange mit einfachen Zu- und Rufnamen begnügte, die besseren Klassen tun es seit dem sechzehnten Jahrhundert nicht mehr. Aber die Bildung der Familiennamen hört in unseren Städten erst im 18. Jahrhundert auf, denn noch bis dahin sehen wir viele Bewohner des flachen Landes, die sich in einer Stadt niederlassen, nicht etwa den Hausnamen weiter tragen, den sie auf dem Dorfe geführt haben, sondern sich nach dem Orte ihrer Herkunft benennen. Daher, besonders weil wir dieselbe Erscheinung auch auf dem flachen Lande feststellen können, die überaus grosse Zahl der von Ortsnamen hergeleiteten Familiennamen.
Beim Bauernstand endlich ist die Entstehung der Familiennamen erheblich jüngeren Datums als beim Bürgerstand. Allerdings sind auf dem Lande schon sehr früh, sicher schon im 12. und 13. Jahrhundert, die einzelnen Vogteien oder Häuser durch besondere Namen gekennzeichnet, die sich sogar grossenteils bis auf heute, in allerdings mehr oder weniger abgeblasster Form, erhalten haben, so das Schentenhaus zu Kehlen, das schon im Beginn des 14. Jahrhunderts der Schennetten (Jeannette) Haus heisst. Aber diese Namen haften am Hause, sind Haus- und nicht Familiennamen. Nur der trägt den Namen des Hauses, der in demselben wohnt, allenfalls noch derjenige, der aus dem Heimathause sich an einem andern Orte ein neues Haus erbaut, an einer Stelle, wo noch keines gestanden. Tritt aber das Mitglied einer solchen Familie in ein anderes Haus ein, wird er, und wäre er auch der älteste Sohn, in ein solches nach altem Brauch eingeheiratet, äbestuod, so nimmt er sozusagen regelmässig den Namen dieses Hauses an, und das so sehr, dass es meiner Ansicht nach nur äusserst wenige unserer Bauernfamilien gibt, die den ihnen zustehenden Familiennamen tragen: in alle ist mehr oder minder häufig ein Fremder eingeheiratet worden, der seinen eigenen Namen verlassen hat, um den seiner neuen Heimat anzunehmen. Anklänge daran gibt es auch heute noch überall; in wohl allen Dörfern haben die alten Häuser noch immer die vor Jahrhunderten üblichen Benennungen und, selbst dann, wenn die Inhaber einen anderen Familiennamen haben, werden sie mit dem Hausnamen bezeichnet. Vor noch nicht langer Zeit war es sogar nicht selten, dass selbst die nächsten Nachbarn untereinander nur die Hausnamen, aber nicht die Familiennamen kannten.