Arno 12 Jahre

 

Arno Bourggraff

Arno 18 Jahre

Unsere Hausnamen

Die Herkunft bezeichnen aber nicht allein die von Vor- oder Orts­namen hergeleiteten Familiennamen, dasselbe tun auch sehr viele jener, die von Tiernamen oder von Bezeichnungen hoher geistlicher und kirch­licher Würdenträger herrühren. Was die ersteren anbelangt, so weiss ich sehr wohl, dass Wolf z. B. ebensowohl nur eine Abkürzung statt Wolfgang oder ein Spitzname sein konnte; in betreff der zweiten, dass man zwar bei Namen wie Bischof, Fürst, Kaiser, König, Prinz, geneigt sein könnte, an uneheliche Abstammung zu denken, doch muss, in Anbetracht der eigen­tümlichen luxemburgischen Verhältnisse, dieser Gedanke unbedingt ver­worfen werden. Wir haben vielmehr in allen diesen Fällen nur an Haus­schilder oder an Hausbezeichnungen zu denken.

Man weiss ja allgemein, dass die Häuser der Städte erst vor nicht langer Zeit durch Nummern untereinander unterschieden wurden; die­selbe Unterscheidung, wie heute die Nummern, besorgten früher die Hausschilder und, in vielen Fällen, an dem Haus angebrachte Malereien. Es wäre in der Tat von geringem Nutzen gewesen, die Häuser zu nume­rieren, da die Einheimischen sie ohnedies kannten und die Bauern, die zur Stadt kamen, doch grossenteils nicht lesen konnten. Man gebrauchte daher äussere augenfällige Zeichen: hier war es ein an langem Arm über die Strasse hinausragendes Hausschild mit dem darauf gemalten Hauszeichen, dort hing an dem Arm irgend ein Gegenstand, der auf das Gewerbe des Eigentümers oder Einwohners hinwies; anderswo waren diese Zeichen über der Haustüre angebracht, auf Holz aufgemalt, wohl auch in Stein aus­gehauen; nicht selten fand man förmliche Gemälde, die das Haus von Aussen zierten und der Strasse ein heiteres, auch wohl groteskes Aussehen gaben.Das Tierreich besonders, später die verschiedenen Würdenträger des Staates und der Kirche, die Wappen der Grossmächte, wechselten in buntem Gemenge. Wir haben nur wenig davon behalten; nur noch unsere Apotheker haben die alte schöne Sitte bewahrt, andere Geschäfte haben höchstens noch einen riesigen Handschuh oder Hut. Früher war es anders; Luxemburg besass eine grosse Anzahl dieser Hauszeichen oder Hausschilder: zum Stern, zum Horn, zum Strohsack, zum Hirschhorn, zum polnischen König, zum Ochsen, im jungen Esel, zum Spiegel, zum bur­gundischen Kreuz, zum Schaf, zum hl. Hubertus, zum Schutzengel, zum goldenen Löwen, zum Mohren, zu den drei Tauben, zum schwarzen Stie­fel, zum weissen Stiefel, zum Schwanen, zum Fähnrich, zu den drei golde­nen Äpfeln, zum goldenen Kopf, zur Stadt Mailand, zu den drei Königen, au cheval de bronze, zum goldenen Handschuh, zum Cruzifix, zum schwarzen Pferd, zum goldenen Herzen, zum grünen Sattel, zum goldenen Hut, zum goldenen Pflug, zum Paradies (au paradis terrestre) zum weissen Pferd, zum lothringischen Kreuz, zum Prinzen von Chimay, ä Neu de France, zum goldenen Ring, zum goldenen Baum, zum schwarzen Adler, zur goldenen Scheere, ä l'hätel de Bourgogne, zum König von Spanien, zum Hirschen, zur goldenen Sonne, zum goldenen Hirschen, zum wilden Mann, zum Engel, etc.

Ich habe, fast nur aus der Oberstadt, allein für das 17. und 18. Jahr­hundert über fünfzig dieser Abzeichen feststellen können. Und, wie bei uns, so war es allerorten und man wird daher nicht fehlgehen, wenn man viele unserer Familiennamen auf solche Hausnamen zurückführt. Dahin rechne ich vor allem Namen wie Bär, Bock, Eber, Fuchs, Gans, Hahn, Hase, Hirsch, Karpfen, Lamm, Löwe, Mohr, Schaf, Schimmel, Schwan, Stier, Wolf, aber auch Apostel, Bischof, Fürst, Kaiser, König, Prinz. Einzel­ne von ihnen mögen ja auch anders erklärt werden können: Bär nach dem altdeutschen Namen Bero, Wolf als Abkürzung von Wolfgang oder Wolf­hardt, Löwe als ein verdorbenes Levv, Fuchs als Spitzname.Eine zweite grosse Kategorie bilden diejenigen Namen, die von zufälligen Eigenschaften herrühren, oder die das Gewerbe der ersten Ahnherrn bezeichnen.Besonders zahlreich sind die den Handwerken oder den einzelnen Standesbezeichnungen entlehnten Namen, vor allem die jener Handwerke, deren füglich keine Ortschaft entbehren konnte: Schmied, Wagner, Müller, Weber, daneben Becker und Hofmann, diese wegen der grossen Zahl der einzelnen Höfe und Güter, die in Zeit- oder Erbpacht verlassen wurden. Der ersten gab es im Jahre 1880 nicht weniger als 4470, Wagener 2373, Weber 1944, Müller 1931, Hofmann 1623, Becker 563. Äusserst zahlreich sind auch die Meyer, mit der deutschen, französischen und latei­nischen Form: Mayer, Maire, Majerus und der Zusammensetzung wie Alt­meyer, Burgmeyer (zusammengezogen Burmer), Carmeyer (daher Car­mes), Briefmeyer, zusammengezogen in Brimmeyer, Dennemeyer, Ketten­meyer, etc. Ich habe über 40.000 Personen gezählt, die im Jahre 1880 einen von einem Handwerk oder einem Gewerbe herrührenden Familien­namen trugen; natürlich sind nicht alle deutschen Stammes, viele sind französisch oder wallonisch, einzelne lateinisch Auf das Kriegswesen gehen viele zurück, was bei dem kriegerischen Charakter unserer Vorfahren nicht auffallen kann: da gibt es Burggraf, Chevalier, Cornet und Cornette, Lieutenant, Peiffer und Pfeifer, und besonders die zahlreichen Reuter und Reiter.


Andere auf das Bauernwesen: die Ackermann, Bauer, Bouvier, Hoff- man und Hornes, Holzmacher, Mayer und Maire, Moutrier, von dem mit­telfranzösischen Moitrier, dem Pächter, der sein Hofgut zum Halben in Pacht nimmt. Auf die Waldwirtschaft und die Jagd verweisen die Fauconnier, Federspiel, Förster und Jäger. Mit der Kirche hängen zusammen die Koster, die Marlier und die Sinner.Unter den Handwerken endlich sind wohl alle älteren vertreten, auch manche, die wir heute nicht mehr mit dem angegebenen Namen bezeichnen: da sind zunächst die Aulner, die Eilenbecker und die Krüger; die Schroeder und Binder oder Bintrier; die Aulner sind die Verfertiger der Aule, des irdenen Geschirres; dasselbe sind die Eilenbecker, deren Name ja noch heute als Bezeichnung derer von Nospelt fortbesteht; das Wort Schroeder bedeutet bald den Schneider, bald, und das ist bei uns die Regel, den Fassbinder, der die Fässer in den Keller hinein schrotet; der Bindner ist der eigentliche Fassbinder; der Burmentier oder Parmentier der Bereiter von Pergament, der Gaasch oder Gaascht der Inhaber eines Gast- oder Wirtshauses. Besonders interessant, in sprachlicher Hinsicht, ist die Umwandlung des hochdeutschen Krüger oder Krieger, welches sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts, unter dem Einfluss der Volkssprache, in das kürzere Krier verändert.Viele andere Namen rühren von besondern Eigentümlichkeiten des Charakters oder des Körpers her: blau, bös, braun, dunkel, fett, frisch, geschwind, grob, gross, grau, jung, schwarz, streng, reich, wunderlich etc. Nur werden diese Namen selten von einer grösseren Anzahl von Perso­nen getragen.Ein eingehendes Studium unserer Familiennamen, nicht eine kurze Skizze, wie ich sie jetzt entwerfe, wird jedenfalls dadurch ganz besonders das Interesse erwecken müssen, weil so verschiedene sprachliche Ele­mente bei der Bildung mitgewirkt haben. Nicht nur sind die deutschen Namen, selbst die spezifisch luxemburgischen, zum Teil hochdeutsch, zum Teil plattdeutsch, von den französischen sind die einen echtfranzösisch, die andern wallonisch, deutsche und französische Namen sind bunt durch­einander gemischt, wie es bei unseren eigenartigen Verhältnissen nicht anders sein kann, und wie wir ähnliches überall dort treffen, wo sich ver­schiedenartige Sprachgebiete berühren.Allerdings ist das jetzige Grossherzogtum nahezu nur mehr deut­sches Sprachgebiet; die Umgegend von Rodange und Lamadelaine, noch im Beginn des 19. Jahrhunderts fast rein romanisch, ist vollständig germa­nisiert, und nur in den Ardennen ist noch ein kleines Stückchen romani­schen Gebietes vorhanden. Ganz anders war es vor dem Jahre 1830; damals wurde in einem grossen Teil des Landes, seit 1815 sogar in dem grössten Teil, französisch oder wallonisch gesprochen und wir können dieses Nebeneinander der beiden Sprachen beobachten, so weit unsere historischen Kenntnisse hinaufreichen.Unter dem Einfluss des Handels und der Industrie und namentlich der Verwaltung liessen sich von jeher viele Romanen in dem deutschredenden Gebiete nieder. Als Faktore auf unseren Hochöfen, ja selbst als Besitzer derselben finden wir im 17. und 18. Jahrhundert fast nur Romanen; die Glas- und Papierindustrie wurde in derselben Zeit durch Wallonen betrieben; die Kohlenbrenner unserer Eisenhütten, die bocquillons, waren nahezu ausschliesslich Wallonen. Unter den Kaufleuten aller unserer Städte finden wir immer viele Franzo­sen. In der Verwaltung beobachten wir ähnliches: die Räte des Provinzial­rates, die Advokaten, die Gerichtsvollzieher sind zum bedeutenden Teil wallonisch oder französischen Ursprungs.Auch die politischen Ereignisse haben das ihre dazu beigetragen, die fremde Bevölkerung zu vermehren. Zweimal, von 1684 bis 1698, von 1795 bis 1814, war unser Land auf längere Zeit im Besitze Frankreichs; jedesmal liessen sich viele Franzosen bei uns nieder, namentlich in der ersten jener beiden Perioden, damals als Vauban mit dem Ausbau des von Spanien im Jahre 1612 beschlossenen, aber nie von diesem vollendeten Festungsbaues begann. Tausende von Arbeitern und Kaufleuten strömten herbei, aus Lothringen, aus der Normandie, der Champagne, aus Savoyen und der Schweiz, aus Schwaben und aus Tyrol. Viele verliessen das Land nach dem Ausbau der Festung, andere, im Jahre 1698, mit den abziehen­den Franzosen; sehr viele, angelockt durch die grossen Vergünstigungen, die Ludwig XIV. gewährt hatte, blieben im Lande. Ich kann natürlich nur einen kleinen Teil dieser neuen Ansiedler namhaft machen; doch glaube ich, werden auch diese wenigen Mitteilungen manchem interessant und sogar neu sein. Die Familie Ziger stammt aus Herrenstetten in Schwaben; Zangerle und Zengerle aus der Pfarrei Capellen, Herrschaft Landeck in Tyrol; Salner aus Ischkell, Herrschaft Nantersberg in Tyrol; die Kintzele aus Sankt Antoni, Gericht Sonnenberg in Tyrol; die Doyen kommen von Melun, die Bechter von Krombach im Bistum Konstanz; ein Lang, 1744 Maurermeister zu Echternach, stammt aus der Herrschaft Landeck in Tyrol; aus Tyrol ebenfalls die Schlottert, Hendel, Huttert und Wegener; die Fichtel aus Schwaben, Bistum Augsburg; Referta oder Ruffetta und Pesca­tore aus dem Mailändischen, die Rosener aus Wien. Sind diese Familien­namen fast sämtlich am Ende des 17. Jahrhunderts eingewandert, so brachten die Zeiten des österreichischen und des deutschen Bundes viel­fach neuen Zuzug. Manch österreichischer und preussischer Soldat liess sich nach seiner Dienstzeit häuslich im Luxemburgischen nieder und brachte so ein neues Element: daher, wie aus früheren Zeiten viele franzö­sische, so jetzt rein deutsche, nicht ursprünglich luxemburgische Namen; neben ihnen aber auch manche slavische, wie Matekowitsch, Kowalski, Bielecki etc.


Eine Periode hat indessen kaum mehr als eine Spur hinterlassen, das ist, trotz ihrer langen Dauer, die spanische, von 1506 bis 1714, denn, von dem Namen Spanier abgesehen, kenne ich keinen unserer heutigen Fami­liennamen, der auf jene Periode zurückzuführen wäre. Der einzige spezi­fisch spanische Name, den wir haben, Hernandez, rührt erst aus der Zeit Napoleons des Grossen. Ganz anders wird es über einige Jahrhunderte mit den italienischen Namen aussehen; wohl sind die meisten Italiener, die seit Jahren zu Tausenden im Erzgebiete arbeiten, nur unstete Zugvögel, einzelne jedoch sind schon Luxemburger geworden und die Zahl dieser wird voraussichtlich immer grösser werden.Betrachten wir nun unsere Namen, wie sie im Jahre 1880 sich vom sprachlichen Standpunkte aus zueinander verhielten, so finden wir, dass ungefähr 81 pCt. derselben deutsch und von 90,5 pCt. der Bevölkerung getragen waren. Französische Namen hatten wir damals 1850, etwa 19 pCt. der Gesamtzahl, die aber nur -von 18.366 Personen, etwa, 9,4 pCt der Bevölkerung geführt waren. 26 Namen waren flämisch oder holländisch, 18 italienisch oder spanisch, 24 slawisch. Allerdings sind wahrscheinlich manche fremden Namen derart verstümmelt worden, dass sie ihr eigen­tümliches Gepräge ganz verloren haben.Eine gewisse Anzahl unserer Familiennamen sind lateinisch, sei es, dass man die luxemburgischen Namen einfach ins Lateinische übersetzte, sei es, dass man dem deutschen Namen ein lateinisches Mäntelchen umhängte, ihm eine lateinische Endung gab.So lange man in den Urkunden sich nur der lateinischen Sprache bediente, war es ganz natürlich, dass man die Namen der Gewerbe und Handwerke, die Tauf- und Ortsnamen, wo es nur möglich war, in dieser Sprache gebrauchte. Seitdem die Landessprachen gebraucht wurden, ver­schwanden diese lateinischen Bezeichnungen und wurden höchstens noch in lateinischen Urkunden angewendet. So enthalten die Rechnungen der Stadt Luxemburg aus den Jahren 1388 und 1463 nicht eine lateinische Benennung Aber es wurde anders im Verlauf des 15. und 16. Jahrhun­derts. Besonders nach der Wiederbelebung der klassischen Studien wurde es bei den Gelehrten, den studierten Fürstendienern und den Klerikern Sitte, ihre Namen in das Antike zu übersetzen. Die Grundursache war die Nachahmung oder vielmehr Nachäffung des Fremden. Es sollte das alte Römertum wieder erweckt und alles mög­lichst auf römischen Fuss gebracht werden. In den Schulen wurde nur Latein geduldet; den Lehrern wie den Schülern war das Deutschsprechen untersagt, Spielen war unter der Bedingung erlaubt, dass auch dabei nur Latein gesprochen würde. Wurden die Studenten auf den Universitäten immatrikuliert, so geschah es, wenn nur möglich, mit einem lateinischen oder wenigstens latinisierten Namen; viele behielten auch nach Voll­endung ihrer Studien diesen Namen bei und bildeten so neue Familien­namen; manche sind freilich nie oder doch nur ausnahmsweise zu solchen geworden.Einige der bekanntesten Beispiele von übersetzung der Namen bie­ten Johann Lorfevre und Johann Keck; jener, Präsident des Provinzial­rates von 1452-1476, nannte sich auch Aurifaber oder Aurifabri; dieser, ebenfalls Präsident von 1566-69, hiess, nicht nur mit latein. Namen Auda­culus, Audax, sondern sogar Hardy. Bei unsrem Klerus sind ähnliche Fälle häufig Georg Meyer, Pfarrer zu Asselborn (gestorben 1625), nennt sich gewöhnlich Villici Andreas Mercatoris, Pfarrer zu Bartringen von 1620 bis 1636, heisst eigentlich Kremer; er ist von Diekirch, sein Bruder, der nach Arlon übersiedelte, lässt sogar den Namen Kremer fallen und nennt sich Diekirch. Wir finden ebenso nicht selten Namen wie Molitor oder Molitoris, sogar Molinaeus und Molinari, Faber und Fabri, Majerus, Wannerus, Victor, Pescatoris, Bruerius (Brauer), aber auch Namen wie Petri, Bisenius, Conzemius, Brosius, Materni, Mathaei, Wittzius, Masius, Gassius, Jacobi, Huberti, Leonardy, Willibrordi, Simonis, Pickius, Erasmi, Lamberti, Wilhelmi, Dominici, Corneli, Reineri, Roberti, usw. Ganz eigentümlich ist es nun, dass grade diese von unseren Kleri­kern angenommenenen lateinischen Namen vielfach noch heute fort­leben; es scheint mir wahrscheinlich, dass die nächsten Verwandten den gelehrter und vornehmer klingenden Namen ihres Herrn Öhm übernah­men, um sich so vor den andern einfachen und gewöhnlichen Meyer und Schmit, Kremer, Kaufmann oder Kaifer auszuzeichnen.

All unsere Familiennamen nach ihrer Bedeutung und ihrem Ur­sprung zu erklären, erscheint mir unmöglich, weil beide Ursprung und Bedeutung vielfach dunkel sind und vielleicht immer dunkel bleiben wer­den. Doch gibt es auch manche, die ich zwar erklären könnte, die ich aber nicht erklären will. Die interessantesten von ihnen sind zwei, die ein sehr verrufenes Gewerbe, das des Schinders, bezeichnen; dazu kommen andere, die dreist und frech geschlechtliche Verhältnisse bezeichnen, mit all dem groben, unverhüllten Sinn für das Nackte u. Ungeschminkte, das dem Volke eigen ist, wenngleich nur zu häufig dabei die Liebe zum Gemeinen und Schmutzigen in den Vordergrund tritt.


Die Familiennamen sind begreiflicherweise nicht immer unverän­dert beibehalten worden; sie haben vielmehr, gleich den anderen Bestand­teilen der Sprache und zum Teil noch mehr als diese, eine mehr oder min­der grosse Veränderung erlitten. Die Vornamen und ebenso die Orts­namen haben nicht nur während des Mittelalters, ja noch während der letzten Jahrhunderte manche Umwandlung oder Abkürzung erlitten; diese treten natürlich auch in den Familiennamen zu Tage. So hiess Wecker noch im 17. — 18. Jahrhundert Weckeringen, Zittig Zittingen oder Zettingen, Rippig Repingen und Rippingen; die Familiennamen Wecke- ring, Zettinger und Rippinger haben die alten Formen beibehalten. Für Rodenborn hat sich immer mehr die verkehrte Form Rodenburg einge­schlichen, die heute in allgemeinem Gebrauch ist; dem entsprechend fin­den wir zwei Personen als Rodenborn, 40 als Rodenbour, aber nur 8 als Rodenburg. Teils der Einfluss des gesprochenen Idioms, der Volksspracheteils der Mangel an der richtigen Bildung von seiten derer, die berufen waren, die Namen niederzuschreiben, änderten die Form sämtlicher Namen, sowohl jener, die als Stammwort für unsere Familiennamen dien­ten, als diese selbst. War das Wort ein fremdes, so machte sich das Volk dasselbe mundgerecht. Der Taufname Servatius, der namentlich in den Ardennen früher sehr häufig war, wurde verkürzt in Fas, wurde aber auch Servas, Sirvas, Zirwes, bis er die jetzige Form Servais annahm, wiewohl wir daneben auch heute Servas, Zirwes und Zirves haben.

Im siebzehnten Jahrhundert erschien zuerst der Name Paquet, gebildet aus Paschasius, daher wegen der Ableitung, die Länge der ersten Silbe; die ersten Träger des Namens waren Wallonen, sie nannten sich Pasquay, daher die Länge der zweiten Silbe; aus dem ursprünglichen Pasquay bildet sich allmählich Pacquay, dann Pacqud und Paqud, heute, mit irrtümlich hinzugefügtem t, Pacquet und Paquet; nach französischer Aussprache müsste es heissen packd, das Volk spricht Pakd.

Neben Dauphin finden wir Daufing, Dauf­fing, Doffeng, Doffing und Dofing. Aus Toussaint wurde Toussin und Toussing, ja sogar Toussinger; aus Dupont Dupong; aus einem Vander­bekene wurde ein Wanderpick, aus einem van der Schey ein Wanderscheit. Aber auch die deutschen Namen wurden vielfach in ähnlicher Weise ent­stellt; aus der bei uns vielfach üblichen Form Huart, Huwart oder Heu­wert für Hugo bildeten sich nicht weniger als zwölf verschiedene Formen: Hayard, Heiard, Heier, Heiert, Heiertz, Heuard, Heuardt, Heuertz, Hevard, Heyardt und Heyart.

Aber, wie verschieden auch diese Namen geschrieben sein mögen, sie finden sich, auf eine und dieselbe Person oder jedenfalls auf Mitglieder einer Familie bezogen, nicht selten bunt und nebeneinander in demselben Aktenstücke. Wenn der Geistliche die Tauf-, Heirats- oder Begräbnisakten einschrieb, so kümmerte er sich wenig darum, wie der betreffende Name zu schreiben war; wenn der Notar einen Verkaufsakt aufstellte, so schrieb er den Namen so, wie er ihn aussprechen hörte, nicht selten in demselben Aktenstück auf zwei, drei verschiedene Weisen. Kann die betreffende Per­son unterschreiben, so tut sie dies nicht eben selten in einer Form, die von der der Urkunde völlig verschieden ist.

Das Starre, Unveränderliche unserer Familiennamen kann daher nur in seltenen Fällen gewahrt werden, umsomehr als die Träger derselben vielfach nicht im Stande waren, die Integrität des einmal gebildeten Namens aufrecht zu halten. Wir wissen ja, wie traurig es in früheren Zei­ten um die Schulbildung stand; wenn von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zum Schluss desselben in den meisten Ortschaften 50, sogar 80 und 99 Prozent der erwachsenen männlichen Bevölkerung nicht einmal ihren Namen schreiben konnten, dann ist einleuchtend, dass von strenger Bei­behaltung irgend einer Namensform nicht die Rede sein konnte, umso mehr als niemand Gewicht darauf legte. Noch im 18. Jahrhundert schrie­ben u. a. drei Brüder von Pforzheim, die in einem Aktenstück unterschrie­ben, Portzheim, Portzenheim, Pfortzenheimme.

Und auch noch im 19. Jahrhundert sehen wir Ähnliches. Herr Müller hat in seiner herangezogenen Arbeit einige treffliche Beispiele angegeben: zwei Brüder von Itzig, von denen der eine Rausch, der andere Rauchs unterschrieb; zwei Schwestern, die eine Neu, die andere Ney; zwei Vet­tern, der eine Lehnerts, der andere Lenertz. An meinem eigenen Namen, trotzdem derselbe von allen Mitgliedern der Familie in genau derselben Weise geschrieben wird, gibt Herr Müller unbewusst ein ähnliches Bei­spiel von Namenänderung; er gibt fünf verschiedene Formen, nur die allein richtige hat er nicht.

Es hat aber auch in einzelnen Fällen die Eitelkeit dazu beigetragen, die Namen umzugestalten. Beispiele aus neuerer Zeit will ich nicht anfüh­ren, nomina sunt odiosa, eines indessen aus längst vergangener Zeit. Es handelt sich um die ausgestorbene Familie Dhaem; der Name ist aus dem Vornamen Damian gebildet und einer der ersten Träger nennt sich sogar Damian; als aber die Familie mit der Zeit zu Reichtum und Ansehen gelangte, fügte man einen Apostroph hinzu, schrieb d'Haem und später de Haem.

Heute sind diese Änderungen natürlich viel seltener geworden, sie dauern aber trotzdem noch immer fort.


Die Geschichte unserer Familiennamen ist ein immerwährendes Veränderen und Verstümmelen der ersten Formen, aber auch ein ebenso stetes Verschwinden alter und Auftauchen neuer Namen. Von den ganz alten adligen Namen ist kaum mehr als einer geblieben: de Waha; die anderen sind spurlos verschwunden oder dauern nur noch als Bürger­oder Bauernnamen fort. Aber auch manche nicht adlige Namen sind ver­schwunden; viele durch den Tod, das Aussterben der einzelnen Familien, andere durch Auswanderung; durch diese konnten die Familiennamen unserem Lande entzogen werden, obgleich sie in der Fremde noch fort­dauern mögen.

Als Beispiel wähle ich diejenigen Namen, die von 1600 bis 1795 von den Advokaten des Provinzialrates getragen wurden, also von Leuten, die sämtlich ihren Wohnsitz zu Luxemburg selbst hatten. Wir haben von die­sen folgende Namen nicht mehr: d'Arlon, d'Arnould, de Baillet, de Ballon­feaux, de Bande, de Baring, Bassompierre, Bayoz, de Beelen, Belhoste, Belva, Bergerot, Bettenhoven, Biber, Blanchart, Blier, Bosch, Breiderbach, Brocquart, Burleus, Burluraux, Busbach, Casaquy, Casin, Cassal, Castell, Charlier, Cornerout, Declerx, Dehout, Detraux, Dhaem, Dronckman, Duchemin, Dudlinger, Dujardin, Durieux, Edmond, Ennershausen, du Faing, Favaige, Foncin de Galliot, Gaulthier, Genel, Gerber, Gerden, Gobelinus, Groffey, Habbot, Halbardier, Haulleville, Helm, Hermee, Herny, Hitz, Holenstein, Hugonel, Jolliot, Jupille, Kilburger, Külberg, Labbeye, Delachapelle, Lacourt, Laittres, Largilla, Lemaistre, Leuchen, Leveling, Ludling, Malempre, Marchin, Marlet, Mauch, Mignon, de Musiel, Nadin, Neundorff, Neunheuser, Nisette, Nisramont, Oblet, d'Osbourg, Otte, Paxius, Peraux, Perle, Pinguenne, Plumling, Poullion, Pratz, Prinet, Protzer, Quiriny, Recoulement, Renardy, Roberti, Rossi­gnon, Rumling, Sanders, Schlecht, Schöndorf, Scouville, Sittart, Terlinden, Terzweih, Tillard, Ungedullich, Uttingen, le Veneur, Viron, Wacken, Warys, Wauthier, Willmar, Wiltheim, Wolflinger, Wolschläger. Ausgestor­ben oder verzogen sind demnach, aus dem jetzigen Grossherzogtum, nicht weniger als hundert und zwanzig Familien, die doch sämtlich zu den ange­sehensten des Landes gehörten. Betrachten wir von demselben Standpunkte aus die Namen der Richter und der Schöffen der Stadt Luxemburg, so kommen wir zu dem­selben Resultat; auch von diesen Familien ist eine ganz erkleckliche Anzahl teils ausgestorben, teils nicht mehr im Grossherzogtum ansässig, nicht weniger als 31 (von denen allerdings mehrere mit den eben genann­ten identisch sind): Barthet genannt la Fleur, Birthon, Bosch, Boudrv, Charlier, Colen, Domal, Dronckman, Durieux, Duthier, Genel, Gros Jean, Holchon, Itzius, Jolliot, Killburger, Kirst, Laloir, Leveling, NIeuchin, Meyss von Traben, Neunheuser, Nisette, Osbourg (später Dosbourg, zu­letzt d'Osbourg), Path, Paveyer, Real, Rumling, Schöndorf, Thiernagant, Wormeldinger.Es ist sicher, dass manche dieser Familien ausgestorben sind; wie viele andere Namen mögen durch die Auswanderung verkommen sein. Nicht erst im 19. Jahrhundert, sondern schon im 17. und 18. verliessen manche Luxemburger die Heimat, um sich in fremden Ländern niederzu­lassen. Im Banat Temeswar, an der türkischen Grenze, finden wir einen Nikolaus Binnel von Wormeldingen, Mathias Kutzinger von Schwebsin­gen, Mathias Bentz von Schengen, Nikolaus und Elise Schinburger von Ritzing, Maria Kieffer von Wies, Franz Enden von Bettingen, Johann Flüstert von Besch, Peter Blei- von Greiweldingen, Nikolaus Frieden (von Ehnen?), Reuter Johann von Kopstal, Nik. Kuffer von Büringen, Peter Weber von Kontern, Nik. Biwer von Helmsingen, Mathias Koptgen von Reckingen, Johann Harnes von Ellingen, Nik. Dorner von flüncheringen, Peter Haasch von Weimerskirch, Johann Morio von Bettemburg, Corne­lius Seiwert von Mutfort, Diederich Kirth von Helmsingen, Karl Appaille von Hesperingen, Johann Braun von Greiweldingen, Johann Nies von Gostingen, Philipp Kintzinger von Greiweldingen.

Im Jahre 1764 ziehen mehrere Luxemburger aus der Umgegend von Echternach nach Amerika: die Jackemin, Dosten, Bisdorf, Becker und Zimmer. Viele andere liessen sich, die einen in Deutschland, die anderen in Frankreich oder in anderen entfernteren Ländern nieder. Eine geborene Henques von Echternach wohnt 1771 zu Valencia, Theodor Horman von Echternach ist 1775 zu Barcelona; Nikolaus Schengen von Moesdorf ist 1773 Handelsmann zu Madrid. 1617 finden wir Friedrich Pistor, Sohn des Peter Becker von Bef­fort, zu Conde ansässig; 1626 einen Hans Taglöhner von Luxemburg zu Brüssel; 1788 Michel Duchscherer von Echternach in der Herrschaft Frankenthal bei Mannheim; 1789 einen Peter Beringer, ebenfalls aus Echternach, zu Bregenz am Bodensee, von wo, ein Jahrhundert früher, die Familie Bregenzer zu uns gekommen war; Peter Wies von Bürmeringen ist 1770 zu Besanson ansässig, Bernhard Greiweldingen von Remich, 1772, zu Montreuil, Christoph Kürten von Remich, 1773, zu Paris, Barthel Wirth in Wellenstein zu Niederwesel, Johann Burens von Dalheim zu Köln, Augustin Altwies von Remich zu Mainz, Peter Peiffer von Bour zu Ansbach in Bayern. Und trotzdem in jenen Zeiten die Auswanderung keineswegs so stark war wie heute, so gingen doch durch dieselbe viele Familiennamen auf immer verloren.Der Ausfall wird natürlich vielmals ersetzt durch die Namen der Fremden, die sich bei uns niederlassen: allein durch die in den Jahren 1881 — 1908 vorgenommenen Naturalisationen sind 47 neue Namensformen hinzugekommen, die 1880 noch nicht vorhanden waren, darunter 25 deutsche, 17 französische, 2 italienische, 2 slawische und 1 semitischer Herkunft; aber die Zahl ist doch sehr unbedeutend, da während derselben 193 Personen mit 165 Namensformen naturalisiert wurden, von denen demnach schon 118 unter unseren Familiennamen vorkamen.Es können aber auch durchaus neue Familiennamen geschaffen wer­den. Das Gesetz erlaubt es ausdrücklich unter gewissen Einschränkungen. Es findet meistens statt für Findlinge, aber auch für solche Personen, die eine Änderung ihres Namens nachsuchen, weil derselbe lächerlich ist oder durch ein scheussliches Verbrechen entehrt worden ist.

 

 

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