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Das Sterbfallrecht, Besthaupt oder Kurmut, Kurmede

Das Sterbfallrecht, Besthaupt oder Kurmut, Kurmede, d. nach Grimm die "meda", Abgabe, welche der Herr kürt, sich wählt, besteht darin, dass beim Absterben des Hausvaters, örtlich auch der Mutter, dem Herrn das beste oder zweitbeste Stück in Haus und Stall verfällt; es wird in unseren Weistümern auch als Recht der toten Hand, Bahre oder Toter, Totenrecht, bezeichnet, im Französischen als "mortemain" oder "droit de morte­main."

Dieses Recht ist noch ein Rest aus der Zeit, wo der Herr nach dem Tode seines Unfreien all dessen Habe und Gut an sich nehmen konnte. Es wurde zunächst dahin gemildert, dass der Herr mit den Erben des verstorbenen Unfreien oder Leibeigenen die Hinterlassenschaft zur Hälfte teilte. Diese Art von Teilung, die bereits im Beginn des vierzehnten Jahrhunderts sonst überall in unserm Lande verschwunden ist, erscheint aber trotzdem noch, als äusserst seltene Ausnahme, im Beginn des sechzehnten Jahrhunderts in dem luxemburgischen Dorfe Answeiler, das von der barrischen Herrschaft Bettstein oder Bassompierre abhing. Es geht dies auf das klarste aus einem Provisionalurteil des Fürstenrates vom ersten Mai 1512 hervor, durch welches, mit Bezugnahme auf einen Vergleich vom 12. Januar desselben Jahres zwischen dem Zentner und der Gemeinde von Answeiler einerseits und dem Herrn von Bettstein anderseits, entschieden wird, dass die Erbschaft halb dem Herrn und halb den Erben des Verstorbenen zufallen solle. Im weiteren Verlaufe des Prozesses, der ausser dem Totenrechte auch noch andere Verpflichtungen der Untertanen betrifft, fällt der Rat ein Urteil, das heute in dieser Form von keinem Richter in ordentlicher Instanz gefällt werden würde; er erklärt nämlich, inbetreff des Totenrechtes verbleibe es bei der alten Übung und dem früheren Entscheid, in der Zuversicht, dass wenn die Untertanen sich in dieser Hinsicht gegen ihren Herrn gehorsam erweisen, dieser sich auch gegen sie freundlich erweisen werde.

Das neuere Totenrecht findet sich an der Mosel bereits im neunten Jahrhundert, aber, wie Lamprecht (Wirtschaftsleben, I 1183, n. 2) sagt, nur vereinzelt und wohl als besonders günstige Ausnahme und besteht seither darin, dass nach dem Tode des Leibeigenen dem Herrn das Beste zufällt, was er hinterlässt, wird aber später auf eine bestimmte Summe verringert oder auf das zweitbeste, der hinterlassenen Möbel beschränkt. So wird, im dreizehnten Jahrhundert, zu Manternach statt des alten Totenrechtes der dritte Teil der jährlichen Zinse bezahlt, zu Steinsel 14 Denare, zu Heisdorf der Betrag der jährlichen Zinse; weil wir nun später an diesen Orten das Totenrecht nicht mehr finden, so ist anzunehmen, dass es entweder verschwand oder durch jährliche Zinse abgelöst wurde. Die Untertanen des Grafen von Luxemburg, d. h. diejenigen, die auf seinen Domanialgütern leben, bezahlen im Allgemeinen kein Totenrecht mehr, wenigstens wird es im Urbar der Grafschaft aus dem Anfang des vierzehnten Jahrhunderts nur mehr für die Untertanen der grossen Propstei der Ardennen: die späteren Propsteien Bastnach, Marche und Laroche, aber keineswegs für alle Ortschaften, erwähnt, ohne dass indessen gesagt wird, woraus es besteht. Aber dasselbe Urbar lehrt uns auch, dass das Totenrecht auch von einzel­nen Vasallen erhoben wird und dass es für diese aus dem besten Pferd oder dem besten einer anderen Viehart besteht. Indessen hob es Herzog Wenzel I, weil die Ardennen durch die grosse Pest sehr entvölkert worden waren und zwar, wie er ausdrücklich hervorhebt, um neue Ansiedler heranzuziehen, am 18. Januar 1362 für die Propstei der Ardennen, natürlich für seine eigenen Leute, gänzlich auf, und ebenso am 11. September 1364, als Herr von Mirwart, im Verein mit dem Abte der Abtei Saint- Hubert, deren Vogtherr er war, für die von Mirwart.

Im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert erscheint das Totenrecht fast nur mehr in den Weistümern, aber, mit einer Ausnahme (Ahn, das den Herrn von Wiltingen gehört), und nur in solchen Ortschaften, die einem Kloster gehören, nämlich zu Bech, Bollendorf, Edingen, Irrel, Meckel, Steinheim und Tadler, die der Abtei S. Willibrord von Echternach gehören, in der S. Maximiner Herrschaft zu Waldbredimus, und zu Igel,wo der Erzbischof von Trier und der Abt von Münster bei Luxemburg Grundherren sind. Dabei wird meistens genau bestimmt, was als Totenrecht entrichtet werden muss: zu Ahn (1626), wenn die Erben Wein haben, das zweitbeste Fuder oder in Ermangelung des Weines vom Vieh oder anderen Hausmöbeln das zweitbeste. Zu Bollendorf (1658) sagt das Weistum, wer dort Erbe besitze und auch nur einen Pfennig Zins entrichte, der sei seinem Herrn das Totenrecht schuldig "von dem ronnen füss (dem Pferd) an bis zu dem dreystempelichen stuhl zu"; doch bemerkt ein anderes undatiertes Weistum vom Jahre 1478, derjenige, der "die doder" (das Totenrecht) schuldig sei, müsse sich deshalb mit dem Abte vertragen, und wenn er es nicht tue, so habe dieser das Recht, das Erbe in seine Hand zu nehmen. Nach dem Weistum von Edingen (1669) gibt der Hofmann, auch wenn er nur anderthalb Fuss Hofgut hat, "ein kurmet oder todter mit einem ronden fuss". Zu Igel (1537) gibt es zwei Häuser, die zinsfrei sind, aber als "barheuser" bezeichnet werden, d. h solche, die das Bahrrecht, oder, wie es im Weistum heisst, "ein bestheupt oder kurmout" schuldig sind. Zu Irrel (1669) erhebt der Herr als Totenrecht "ein geschlitten fuss", d. h. ein Stück Rindvieh, ein Schaf, eine Ziege oder ein Schwein. Zu Tadler hat der Abt von Echternach Recht auf das zweitbeste der Möbel (Vieh oder eigentliche Möbel). Zu Waldbredimus (1545) wird als Bahrrecht "das nechst nach dem besten" gegeben. Das undatierte Weistum von Bech bei Echternach sagt nur, dass man das Totenrecht schulde.

Am ausführlichsten behandeln die Frage die Weistümer von Meckel und Steinheim, beide aus dem Jahre 1669. Nach dem ersten soll man anfangen "an einem geschlitten fuss rindviehes" etc. (es ist also insofern eine Milderung eingetreten, als kein Pferd gefordert wird); Weib u. Kind des Verstorbenen sollen das beste Stück vorwegnehmen; dann sollen der Meyer, zwei Schöffen und ein Bote bei ihren Eiden das zweitbeste nehmen; ist aber kein Stücke Rindvieh, Ziege, Bock, Schaf oder Schwein im Haus, und wären nur zwei Stühle vorhanden, "einer mit vier stempeln, der ander mit drey stembel", so behalten die Erben den ersten und der Herr den zweiten; damit sollen die Herren zufrieden sein, "auf dass ihr gerechtigkeit ge­halten werde", worauf der Meyer und seine Gesellen (von wem, ist nicht gesagt) einen Sester Wein erhalten. Härter ist das Weistum von Steinheim; hier verfährt man wie zu Meckel, es wird aber hinzugefügt, der Hofmann könne sich mit dem Herrn verständigen, und wenn die Schöffen das Totenrecht binnen dem Erbe erheben, so seien ihnen die Erben einen Sester Wein schuldig, wenn aber ausserhalb des Hofes, der Herr. Dann aber folgt: stirbt die Frau nach dem Mann, so hat der Herr ebenfalls das Totenrecht zu erheben, stirbt sie aber vor dem Mann, dann ist dasselbe nicht geschuldet.

Die jüngsten der erwähnten Weistümer fallen in das Jahr 1669; es sind aber nur wenige, die das Bahrrecht erwähnen, wohl ein Beweis, dass es am Verschwinden war. Dieses betonen auch die allgemeinen Landsbräuche, die im Jahre 1624 veröffentlicht wurden, denn sie bemerken (Titel II, Artikel 24): "En aucuns lieux (en quelques lieux) est deu droict de mortemain, quand l'un des chefz de ménage va de vie ä trespas" (es ist dies vielleicht, aber nicht sicher, so zu verstehen, wie das Weistum von Steinheim erklärt), "pour lequel se prend en quelques endroictz "le plus beau meuble de la maison par enseignement de la justice, es autres un cheval ou quelque beste, ou bien quelque recognoissance (Erkenntlichkeit), en quoy sera observe l'ancienne usance, sans rien innover."

In unsern Urkunden wird nun zwar das Totenrecht selten erwähnt, aber doch so, dass wir manches aus ihnen entnehmen können, was die Weistümer nicht lehren. So erklärt am 31. Oktober 1504 Johann der junge, Herr von Krichingen und Pittingen, dass er nach dem Tode des Johannes von Montzig, Pastors von Metzeresch, kein Totenrecht zu fordern das Recht habe, weil dieser ihm dafür vier rheinische Gulden bezahlt habe, 14 Gramm Gold. Das Dokument ist in doppelter Hinsicht höchst interessant, deshalb weil der Pastor noch bei seinen Lebzeiten das erst nach seinem Tode erfallende Totenrecht bezahlte, wohl damit seine Erben nicht über die Massen zur Zahlung herangezogen werden können, dann aber auch wegen des Umstandes, dass Geistliche nicht Leibeigene sein können, demnach das Totenrecht nicht wegen der Leibeigenschaft gefordert wird. Ein anderes Dokument von 1536 beweist, dass die Abtei S. Willibrord von Echternach auch zu Gentingen bei Vianden das Totenrecht besitzt, ein drittes von 1619, dass zu Badenheim, das luxemburgisch war, dem Erzbischof von Trier das Totenrecht auf zehn Stockvogteien zustand, dass es nach Massgabe der jährlich schuldigen Zinsen und nur nach dem Tode des Hausvaters, nicht aber nach dem der Hausfrau erhoben wurde, ebensowenig wenn diese zuletzt als wenn sie vor ihrem Manne starb. In einer Urkunde von 1637 behauptet Robert von Argenteau, Ritter von Ochain, ihm gebühre das Totenrecht von allen Untertanen der Herrschaft Ochain ohne Ausnahme, von Männern und Frauen, von den Adligen, den Vasallen und den Nichtadligen.

Übrigens bestand das Totenrecht selbst zum Nachteile der Pfarrer und anderer Geistlichen, bis zum Beginn der französischen Herrschaft, allerdings nicht zu Gunsten irgend eines adligen Herrn, sondern des Dechanten, dem wie ich im Kapitel über den Klerus, dartun werde, gewisse Stücke aus der Nachlassenschaft jedes Geistlichen seines Dekanates zufielen.

Ob das Totenrecht bis zur Besitznahme des Landes durch die Franzosen im Jahre 1795 erhoben wurde, weiss ich nicht; doch ist es wahrscheinlich, denn noch im Jahre 1771 hat das Kloster S. Willibrord zu Kinsheim sechs Wingerten, von denen ihm das Totenrecht gebührt; der Name indessen ist geblieben für die Sterbfallrechte, die heute in dem Fall erhoben werden, dass das Erbe nicht an die Kinder, sonder an Seitenverwandte fällt, und die noch heute Totenrecht genannt werden.

Die Steuer war unchristlich,


sie wurde ja nach dem Tode des Familienhauptes erhoben in einem Augenblicke, wo die Familie schon ohnedies genug zu tragen hatte. Caesarius von Heisterbach, Propst des Klosters Steinfeld, hat ganz anders gehandelt, als er erfuhr, dass ein Füllen, das er auf einem der Klosterhöfe sah, von der Witwe eines verstorbenen Untertanen als Totenrecht gegeben worden war, den der ihn begleitende Mönch als guten Mann und treuen Freund bezeichnete; er sagte: "Also, weil er ein guter Mann und treuer Freund war, deshalb habt ihr die Witwe beraubt; geh, gieb ihr das Pferd zurück, denn es ist Raub, fremdes Gut zu rauben oder zurückzuhalten." Die späteren Äbte von Echternach, S. Maximin und Münster waren, wie die Weistümer beweisen, einer anderen Meinung.


 

In vielen Fällen genügte aber das Totenrecht nicht, der Erbe des Verstorbenen musste sich auch noch in dessen Güter einsetzen lassen, was natürlich nicht ohne neue Kosten geschah. Das älteste mir bekannte Beispiel bietet ein ungedrucktes Weistum von Heisdorf aus dem Jahre 1484, nach welchem zwei Beyer (Groschen) entrichtet werden mussten; zu Schifflingen, nach einem ebenfalls ungedruckten Weistum vom Jahre 1633, müssen sogar dem Grundherrn 24 Beyer bezahlt werden, wovon zwei Drittel dem Herrn und ein Drittel dem Gericht zustehen.

Ein Frisinger Weistum vom Jahre 1541 sieht vor, dass die Witwe innerhalb dreissig Tagen nach dem Tode ihres Mannes sich in dessen Güter soll einweisen lassen, vermitz der dem Herrn und dem Gericht zukommenden Gebühren, widrigenfalls man ihr kein Recht wiederfahren lasse. Dieses Weistum gab Anlass zu einer höchst interessanten Bittschrift, welche die Erben des verstorbenen Greffiers Valentin Strenge an den Provinzialrat richteten und welche am ersten März 1544 dekretiert wurde: Als ihr Vater resp. Schwiegervater vor ungefähr drei Viertel Jahr starb, verbot das Gericht von Frisingen ihrem Hofmann die Güter zu bearbei­ten, wenn er ihnen nicht für jedes Kind des Verstorbenen 24 Stüber bezahle, "welches sie empfengnus geh intitulieren und als solches folgends under sich verdrinken". Als die Erben die Forderung als Missbrauch bezeichneten und als Verletzung der allgemeinen Landsbräuche, verbot das Gericht tatsächlich dem Hofmann, die Güter zu bestellen, weil sie nicht gesinnt seien, von ihrem Weistum abzustehen, das ihnen das fragliche Recht zuerkenne. Der Provinzialrat erlaubte darauf den Erben, das Gericht vorzuladen und befahl diesem, das Scheffenweistum vorzulegen, aber auch das ergangene Verbot aufzuheben. Die definitive Entscheidung des Rates ist mir nicht bekannt; ich zweifle aber nicht daran, dass dieselbe zu Gunsten der Erben ausfiel

Der Abkauf von der Leibeigenschaft. Das Wissenswerteste darüber habe ich bereits oben, mitgeteilt.

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